168.000 Kilogramm: So groß ist die Menge an essbaren Lebensmitteln, die in München täglich im Müll landet. In Bayern sind es laut einer Studie aus dem Jahr 2014 sogar rund 1,3 Millionen Tonnen im Jahr. Eine gigantische Verschwendung, findet Günes Seyfarth, die Gründerin des Vereins "foodshare München". Ist in einem Netz Orangen eine verschimmelt, werde das komplette Netz weggeschmissen, sagt sie. Ein paar verschimmelte Pflaumen aus einem ganzen Karton heraussortieren, das sei mühselig und teuer - also weg damit. Oder der Kunde kauft Gemüse und Obst nicht, weil es nicht hübsch ist oder eine kleine Delle hat: also wird auch das weggeschmissen. "Manchmal werden Lebensmittel aber auch einfach nur weggeschmissen, weil eine neue Lieferung kommt."
Lebensmittel an Bedürftige statt in die Tonne
Mehrmals in der Woche sortieren deswegen die ehrenamtlichen Mitglieder von "foodshare" in der Münchner Großmarkthalle genau dieses Obst und Gemüse aus, um es an bedürftige Münchner Bürger zu verteilen. Günes Seyfarth geht es dabei nicht nur um die Lebensmittel selbst, sondern um die ganze Wertschöpfungskette, die zum Beispiel in einem Stück Gemüse steckt: Erst wird es gepflanzt, dann geerntet, dann verpackt und in vielen Fällen per LKW oder Flugzeug nach Deutschland transportiert. Ein hoher Energieverbrauch, der mit dem Gemüse in der Tonne landet.
Verwöhnte Verbraucher und gierige Händler
Schuld daran ist aber nicht nur der Verbraucher, der optisch makelloses Essen fordert, sondern aus die Profitgier der Händler und Verkäufer, sagt Seyfarth: "Es gibt gar keinen Anreiz für einen Supermarkt, anders zu kalkulieren. Der will seine Kunden zufriedenstellen. Und wenn der Kunde dann doch nicht von der Palette kauft, dann wird es eben wegggeschmissen und vorher noch abgeschrieben. Das heißt: der Supermarkt hat kein großes Minus in der Bilanz, wenn er die Lebensmittel wegschmeißt."
"Foodshare" fordert deswegen einen gesetzlichen Wegwerfstop für Supermärkte; dazu sollte es eine Dokumentationspflicht von entsorgten Lebensmitteln geben, die alle Verluste in Landwirtschaft, Handel und Industrie erfasst. Das große Ziel dahinter: eine Halbierung der verschwendeten Lebensmittel in Deutschland bis 2030 - eine Forderung, die für den gesamteuropäischen Raum auch von der EU unterstützt wird.
Landwirtschaftsministerium ist gegen Pflichtmaßnahmen
Auch das Bayerische Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten hat sich dieser Forderung angeschlossen, hält aber wenig von gesetzlichen Regelungen, wie Malte Rubach vom Ministerium klarstellt. Es gebe Länder, die den Handel dazu verpflichtet hätten, Lebensmittel an karitative Einrichtungen weiterzugeben, zum Beispiel Frankreich. "Wir sehen bisher nicht, dass das wirksam ist", sagt Rubach. "Außerdem funktioniert hier in Deutschland laut Tafeln und Einzelhandel die Zusammenarbeit sehr gut."
Halbierung der Lebensmittelverschwendung bis 2030 unrealistisch
Im Oktober 2016 hat das Landwirtschaftsministerium außerdem das Bündnis "Wir retten Lebensmittel!" ins Leben gerufen, in dem es mit Tafeln und Vereinen wie "foodshare" zusammenarbeitet, die sich der Lebensmittelrettung verschrieben haben. Denn diese haben oft den direkteren Kontakt zum Verbraucher. Gemeinsam will das Bündnis so in Informationskampagnen das Bewusstsein der Konsumenten für den Wert von Lebensmitteln schärfen.
Eine Unterstützung aus der Politik, die Günes Seyfarth begrüßt, auch wenn sie - wie das Landwirtschaftsministerium - das Ziel einer Halbierung der Lebensmittelverschwendung bis ins Jahr 2030 für unrealistisch hält. Doch im Kleinen und vor Ort der Lebensmittelverschwendung Einhalt zu gebieten sei immer noch besser, als gar nichts zu tun.