Astrid Passins Vater kam bei dem Anschlag am Breitscheidplatz in Berlin ums Leben. Sie ist Mutter einer zehnjährigen Tochter und lebt in einem kleinen Haus am Stadtrand von Berlin. Im Wohnzimmer hat sie auf einer Kommode Trauerkarten aufgereiht und vieles, was an ihren Vater erinnert.
Von der Zuschauerin zur Betroffenen des Terroranschlags
In der Nacht des Anschlags verfolgte sie, wie viele andere auch, die Berichte über den Terroranschlag im Fernsehen. Am nächsten Morgen dann die schreckliche Nachricht, die Lebensgefährtin ihres Vaters war am Telefon.
"Sie hat nur geweint und was geschrien. Irgendwann kam dann der Satz: Papi ist tot. Wie jetzt - Papi ist tot? Sie hat mir gesagt: Wir waren gestern auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz. In dem Moment war ich außer mir und bin zusammengebrochen. Ich konnte nicht mehr weiterreden." Astrid Passin
Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz statt Theater
Die Lebensgefährtin ihres Vaters erzählte ihr, was am Vorabend passiert war. Eigentlich wollten sie spontan ins Theater gehen. Doch es war ausverkauft. Die Alternative: der Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Einen Tag nach dem Anschlag meldete sich die Polizei bei Astrid Passin und teilte ihr mit, sie müsste in die Wohnung ihres Vaters. Wo er sei, wüssten die Polizisten nicht.
"Ich habe mich in der Wohnung mit denen verabredet. Sie brauchten eine Zahnbürste, einen Rasierer oder einen Kamm von meinen Papi, damit sie DNA-Spuren nehmen können. (...) Hinter der Wohnungstür bin ich zusammengesackt. Als ich das letzte Mal die Wohnung betreten habe, habe ich für ihn Blumen gegossen. Es war für mich eine ganz furchtbare Nacht, im Schlafzimmer das Bett zu sehen, was aufgeschlagen war." Astrid Passin
Von ihrem Vater fehlte weiter jede Spur. Astrid Passin beschloss, das Bundeskriminalamt anzurufen. Sie wollten ihren toten Vater unbedingt identifizieren. Doch statt eine Antwort zu bekommen, musste sie die Spurensicherung erneut in die Wohnung lassen. Sie kam sich vor, als ob sie die Täterin gewesen wäre, sagt Passin.
Attentäter Amri im Visier der Ermittler
Im Mai 2017 fand der Sonderermittler des Berliner Senats, Bruno Jost, heraus: Der Attentäter Amis Amri war schon vor dem Anschlag im Visier der Ermittler gewesen. Er handelte im großen Stil mit Drogen. Das hätte ausgereicht, um Amri zu verhaften. Doch nichts passierte. Damit dieses Versagen nicht auffiel, änderten Mitarbeiter des LKA später seine Akte. Aus dem Profi-Drogenhändler machten sie einen kleinen Dealer - und merkten an: Eine Verhaftung sei nicht nötig.
Auch Astrid Passin, die mittlerweile Sprecherin der Betroffenen ist, fragte sich, ob der Anschlag nicht hätte verhindert werden können. Für sie ist klar: Der Staat müsse zur Verantwortung gezogen werden. Dafür werde sie kämpfen, auch wenn es ein "langer, schwieriger Weg ist, mit vielen Höhen und Tiefen".
Ein goldener Riss als Mahnmal auf dem Breitscheidplatz
Zusammen mit den Hinterbliebenen hat die Stadt Berlin entschieden, wie vor der Gedächtniskirche an den Anschlag und seine Opfer erinnert werden soll. Ein goldener Riss, eine 14 Meter lange Metallschlange, wird sich über den Breitscheidplatz ziehen. Er soll die Narbe symbolisieren, die geblieben ist. Auf der Vorderseite der Stufen der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche werden die Namen der Todesopfer und ihre Herkunftsländer stehen. Eine Gedenktafel mit den Namen der Opfer und ihrer Herkunftsländer. Am Jahrestag des Terroranschlags, am 19. Dezember 2107, soll das Mahnmal eingeweiht werden.