Kinder, die trotz eines ungünstigen sozialen oder wirtschaftlichen Umfelds solide Leistungen in der Schule erbringen, sind "resilient". Und diese resilienten Kinder werden mehr: Zwischen den Jahren 2006 und 2015 stieg der Anteil dieser Schülerinnen und Schüler von 25 auf gut 32 Prozent. Das ist die gute Nachricht, die die Auswertung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, ergeben hat.
Enorme Bildungsanstrengungen vollbracht
OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher nennt den Anstieg beeindruckend. Er sei vor dem Hintergrund enormer Bildungsanstrengungen nach dem sogenannten Bildungsschock in den 2000er Jahren zu betrachten: Ganztagesschulen, stärkere Integration durch die Zusammenführung von Haupt- und Realschulen, Förderung im frühkindlichen Bereich, Förderung von Schülern mit Migrationsanstrengungen – da habe sich viel getan, so Schleicher.
Keine Chancen ohne Bildung
Die Zahl der resilienten Schüler müsse weiter steigen, sagt Schleicher, weil Bildung eine der entscheidenden Zukunftsressourcen sei.
"Die Menschen, die an einer guten Erstausbildung scheitern, haben kaum noch Chancen, das jemals wieder aufzuholen. Wir reden immer vom lebensbegleitenden Lernen – das ist auch sehr wichtig. Aber die Tatsache ist, dass die Menschen, die eine gute Erstausbildung haben, an all diesen Chancen immer weiter teilnehmen, und diejenigen, die das nicht haben, im Grunde immer weiter zurückfallen." Andreas Schleicher, OECD-Bildungsdirektor
Studie bringt überraschende Ergebnisse
Die OECD hat untersucht, was getan werden kann, um Kindern aus einem sogenannten bildungsfernen Elternhaus zum schulischen Erfolg zu verhelfen. Das Ergebnis ist überraschend: Es spielen andere Faktoren eine Rolle, als vielerorts angenommen wird.
Faktor Eins: Eine gute soziale Mischung an der Schule.
Benachteiligte Schüler profitieren vom gemeinsamen Unterricht mit bessergestellten Schülern - und zwar ohne, dass dabei die guten Schüler schlechter würden, betont OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher. Auch da sei Deutschland durch die Zusammenführung von Haupt- und Realschulen auf einem guten Weg; das bringe eine stärkere "Durchmischung", die sich eben positiv auswirke.
Faktor Zwei: Ein positives Schul- und Unterrichtsklima
Wenn wenig Zeit im Unterricht verloren gehe, wenn das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern ein gutes und persönliches sei, wenn das Arbeitsklima an der Schule stabil und diszipliniert sei, dann sei die Resilienz doppelt so gut, sagt der OECB-Bildungsdirektor. Benachteiligte Schüler schnitten unter diesen Bedingungen also sehr viel besser ab. Auch ein stabiles Lehrerkollegium und ein motivierender Führungsstil der Schulleitung spiele dabei eine große Rolle.
Ebenso könnten außerschulische Aktivitäten dazu beitragen, den "Teufelskreis" von sozialer Benachteiligung und schlechten Schulleistungen zu durchbrechen, sagt Andreas Schleicher.
Weniger wichtig: Klassengröße und finanzielle Mittel
Kleine Klassen und besonders gute Ausstattung der Schulen, mit zum Beispiel vielen Computern, spielen dagegen laut der OECD-Studie keine Rolle dabei, ob Kinder aus sogenannten bildungsfernen Familien gut in der Schule sind. Wichtig sei, wie die Mittel genutzt werden.
Simone Fleischmann, Vorsitzende des Bayerischen Lehrerinnen und Lehrerverbands, weiß, was benachteiligte Kinder brauchen. Die Förderung sozial benachteiligter Kinder sei "ganz easy", sagt sie. Es brauche eine Lehrerin, die in der Früh da ist, ein gutes Klassenmanagement, Anleitung im Lernprozess. Allerdings:
"Es fehlt die Zeit für das einzelne Kind. Ob ich 18 oder 24 Kinder in der Klasse habe: Für das einzelne Kind, das schwer bedürftig ist, fehlt mir die Zeit. Manchmal fehlt mir auch die Expertise. Wir sind zum Beispiel im Bereich der Inklusion und der Integration manchmal auch mit unseren Kompetenzen nicht gut genug ausgestattet."Simone Fleischmann, Vorsitzende des Bayerischen Lehrerinnen und Lehrerverbands
Dabei wäre beides der Schlüssel zu besser Bildung, sagt auch OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher: Das entscheidende für Bildungserfolg sei, lernen zu individualisieren. "Dass wir uns nicht fragen: Wo schicken wir die Schüler hin, sondern: Was können wir für die Schüler tun."