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Mesale Tolu und Ehemann Suat Corlu

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Prozess gegen Mesale Tolu geht weiter

Die Journalistin Mesale Tolu ist seit Dezember auf freiem Fuß, darf die Türkei aber nicht verlassen. Jetzt geht ihr Prozess weiter. Für die türkische Staatsanwaltschaft ist sie nicht nur eine linke Aktivistin, sondern eine Terroristin. Von Karin Senz

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Gut vier Monate ist Mesale Tolu jetzt auf freiem Fuß. Freiheit ist alles, sagt die junge Neu-Ulmerin. Doch ihre deutsche Heimatstadt Neu-Ulm, wo sie Freunde und Unterstützer hat, ist unerreichbar. Sie hat eine Ausreisesperre, lebt mit ihrem Mann und ihrem dreijährigen Sohn Serkan in Istanbul – immerhin sind sie mal wieder zusammen nach Monaten der Trennung. Der Kleine steht im Moment im Mittelpunkt, nur ab und zu arbeitet Mesale Tolu als freie Journalistin, aber nicht mehr für die Etha, das linke Nachrichtenportal, für das sie vor ihrer Verhaftung vor einem Jahr vor allem übersetzt hatte.

Nachrichtenportal unter Druck

Etha kommt immer mehr unter Druck. Erst Ende letzter Woche waren drei Mitarbeiter in Istanbul festgenommen worden, darunter der Deutsch-Türke Adil Demirci. Er, schimpft Etha-Chefin Dereya Okatan, wurde "nicht verhaftet, weil er Adil Demirci ist, sondern weil er für uns gearbeitet hat, weil man dadurch Etha unter Druck setzen will."

Demirci wohnt in Deutschland, hat von dort aus frei für das linke Nachrichtenportal geschrieben. Er war nur zu Besuch in Istanbul. Seine Anwältin Gülhan Kaya hat ihn letzte Woche in der Haft besuchen können.

"Man kennt das vielleicht schon von Meşale Tolu. In schwierigen Zeiten wie diesen, im Ausnahmezustand, wo es gegen Medien und Oppositionelle massiven Druck gibt, war natürlich auch Adil Demirci klar, dass ihm so was passieren könnte. Aber genau wegen dieser schweren Zeiten hat er weiter für die Etha gearbeitet. Und trotzdem ist er etwas verwirrt und verblüfft, denn er ist zum ersten Mal verhaftet worden, zum ersten Mal hat er so eine Polizeirazzia in der Nacht erlebt." Gülhan Kaya, Anwältin

Keine Anklageschrift, keine Akteneinsicht - dafür ständig neue Verfahren

Auch bei Demirci haben die Ermittler nach der Beerdigung und der Demo gefragt, erzählt seine Anwältin. Sie kann nur ahnen, was ihrem Mandaten vorgeworfen wird. Es gibt noch keine Anklageschrift, die Akten darf sie nicht sehen. Ihr Job ist in diese Tagen nicht leicht, erzählt sie:

"Gegen uns Anwälte werden immer wieder Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das kann ganz simpel mal wegen einer Presseerklärung sein oder weil man sich mit einem Polizisten oder Justizbeamten beispielsweise wegen einer Akte gestritten hat. Da zögern die nicht lange. Neulich erst wollte ich einen Mann fotografieren, dem von einem Polizisten Handschellen angelegt wurden. Sofort wurde ein Verfahren gegen mich eingeleitet." Gülhan Kaya, Anwältin

Wie geht es weiter mit Familie Tolu?

Für Mesale Tolu ist das nicht das Umfeld, in dem sie ihren kleinen Sohn groß ziehen will. Sie hofft, dass heute wenigstens ihre Ausreisesperre aufgehoben wird. Doch ganz normal würde es dann wohl trotzdem nicht. Denn ihr Mann steht im selben Verfahren vor Gericht. Bei ihm sehen Prozeßbeobachter wenig Chancen, dass er die Türkei nach dem Verhandlungstag verlassen darf. Völlig offen ist, wann ein Urteil fällt. Das heißt, die kleine Familie Tolu würde erstmal wieder auf unbestimmte Zeit getrennt.