Wer weiter schweige, mache sich ein zweites Mal schuldig - "schuldig an den Angehörigen der Opfer, nicht juristisch, aber moralisch", sagte Steinmeier bei einer Gedenkveranstaltung in Berlin.
"Reden Sie. Legen Sie die Taten in allen Einzelheiten offen." Frank-Walter Steinmeier (SPD), Bundespräsident
Immer noch ist nicht geklärt, wer Schleyer nach sechswöchiger Geiselhaft im Oktober 1977 erschossen hat. Zuvor war der Versuch der Terroristen gescheitert, mit der Entführung führende RAF-Mitglieder aus der Haft freizupressen. Andreas Baader und andere begingen daraufhin Selbstmord. "Viel zu lange hielt sich die Märtyrerlegende vom Justizmord an den Häftlingen", sagte Steinmeier. "Wahn und Lüge umgaben die RAF-Geschichte über Jahrzehnte."
Aust verlangt Offenheit auch vom Staat
Mehrere RAF-Mitglieder der sogenannten Dritten Generation sind heute noch flüchtig, andere haben langjährige Haftstrafen abgesessen. Zu der Diskussion im Schloss Bellevue waren auch Angehörige der Opfer und Terrorismus-Experten eingeladen. Der Autor Stefan Aust forderte die Sicherheitskräfte auf, ihre Akten offenzulegen, um ungeklärte Fragen zu beantworten. "Nach 40 Jahren muss Schluss sein mit der gefährlichen Heimlichtuerei", sagte er. Wer bei der Fahndung versagt habe, müsse dazu stehen. Allein 1977 starben elf Menschen durch den RAF-Terror.
Eine Frage der Balance
Die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit sei eine tagtägliche Herausforderung, sagte Steinmeier. 1977 sei der Staat nicht erpressbar gewesen. Das bis heute unauflösbare Dilemma bestehe aber darin, dass dies in letzter Konsequenz dazu führen könne, ein Menschenleben aufzugeben. Generalbundesanwalt Peter Frank sagte, die Entscheidung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD), sich von den Schleyer-Entführern nicht erpressen zu lassen, sei richtig gewesen. Zugleich betonte er:
"Wir dürfen auch heute in Zeiten des Terrorismus den Rechtsstaat nicht aufs Spiel setzen." Frank-Walter Steinmeier (SPD), Bundespräsident