Auslöser für den Einsatz in Afghanistan waren die Anschläge vom elften September 2001. Der Westen nahm damals Terroristen erstmals richtig als Bedrohung wahr. Die US-Regierung schickte gemeinsam mit Verbündeten Truppen nach Afghanistan. Das Ziel: Die Taliban-Regierung stürzen, den Rückzugsraum für das Terrornetz Al-Quaida zerstören. Am 13. November eroberten die Truppen die Hauptstadt Kabul. Drei Tage später dann die Debatte im Bundestag: Soll sich Deutschland an dem Einsatz beteiligen?
Afghanistan-Abstimmung im Bundestag
Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, SPD, warb damals im Bundestag für den Afghanistan-Einsatz und verband die Abstimmung mit einer Vertrauensfrage.
"Die Entscheidungen, die für die Bereitstellung deutscher Streitkräfte zu treffen sind, nimmt niemand auf die leichte Schulter. Auch ich nicht." Gerhard Schröder 2001 im Bundestag
Der Antrag ging mit knapper Mehrheit durch. Das legte den Grundstein für einen Wandel der Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Einsatzarmee.
Deutsche Soldaten und lokale Sicherheitskräfte bei der gemeinsamen Patrouille
Am 20. Dezember 2001 autorisierte der UN-Sicherheitsrat eine internationale Schutztruppe, kurz ISAF. Zwei Tage später erteilte der Bundestag das erste Mandat, eine Woche später landete ein Vorauskommando der Bundeswehr in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Mitte Januar 2002 gingen deutsche und afghanische Polizeikräfte das erste Mal gemeinsam auf Patrouille. Zweieinhalb Jahre später übernahm die Bundeswehr die Verantwortung für den Wiederaufbau im Norden Afghanistans.
Einsatz für Sicherheit und Wiederaufbau
Die ISAF-Mission sollte Sicherheit im Land schaffen und den Wiederaufbau absichern. Und zugleich dafür sorgen, dass von dort kein Terror zu uns gelangt.
"Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt." Peter Struck als Verteidigungsminister im Februar 2002
Das Kontingent der Bundeswehr wurde kontinuierlich aufgestockt. Ab 2010 sah das Bundestags-Mandat vor, dass bis zu 5.350 Soldaten und Soldatinnen in Afghanistan eingesetzt werden können. Die tatsächlichen Einsatzzahlen sind höher, da die Posten über das Jahr hinweg rotierend besetzt werden. Im Jahr 2013 taten knapp 16.000 Soldaten ihren Dienst in Afghanistan, das war der Höchststand.
Neues Ziel: Übergabe der Verantwortung
Zu dem Zeitpunkt war allerdings schon die Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte angelaufen: Erst räumte die Bundeswehr das Feldlager Faisabad, dann das Feldlager Kundus. Das Camp Marmal in Mazar-e-Sharif wurde zur Basis des deutschen Kontingents. Aus der Kampfmission, so lautete das erklärte Ziel der NATO, sollte eine Ausbildungsmission werden, mit einem deutschen Kontingent von rund 850 Soldaten.
"Wir sind in der zweiten Reihe und unterstützen, beraten nur noch. Der Kampfeinsatz endet, und die Afghanen sind bereit und entschlossen, die Sicherheit für ihr Land in ihre eigenen Händen zu übernehmen." Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen 2014 in Mazar-e-Sharif
Im 28. Dezember 2014 dann die offizielle Zeremonie für den Übergang zur Ausbildungsmission. Der Kommandeur der internationalen Truppen, US-General John Campbell, sagte in Kabul: Dieser Tag markiere das Ende einer Ära und den Beginn einer neuen. "Heute beendet die NATO ihren Kampfeinsatz, das waren 13 Jahre mit bedeutenden Erfolgen und enormen Opfern."
Bisher 56 tote deutsche Soldaten in Afghanistan
Mehr als 2.200 US-Soldaten kamen aus dem Einsatz nicht mehr zurück. 56 deutsche Soldaten starben, 35 von ihnen durch Fremdeinwirkung – zum Beispiel durch Anschläge oder im Gefecht. Angesichts dieser Opferzahlen und der enormen Kosten für den Kampfeinsatz nahm der Druck zu, die Mission nicht zu einer unendlichen Geschichte werden zu lassen. So fiel die Entscheidung, Soldaten abzuziehen. Verbunden mit der Hoffnung, dass sich die Lage nicht wieder verschlechtert.
Inzwischen wissen die NATO-Verbündeten, dass die Erwartungen an die afghanischen Sicherheitskräfte zu hoch gesteckt waren. Der Rückzug der NATO-geführten Truppe aus der Fläche hat, wie es Ursula von der Leyen formuliert, die Regierungstruppen teilweise entmutigt und die radikal-islamische Taliban ermutigt.
"Und deshalb halte ich es für richtig, dass wir jetzt die reine Orientierung an Zeitlinien korrigieren und zurückkehren zu dem Kriterium, dass wir anhand der Fortschritte im Land unsere Präsenz bemessen und an keinem anderen Kriterium." Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
Im Einsatzgebiet der Bundeswehr häufen sich die Angriffe – auch auf deutsche Infrastruktur, auf die Botschaft in Kabul und das Konsulat in Mazar-e-Sharif. Die afghanische Armee ist im Kampf gegen Aufständische, Taliban, Al-Kaida und IS weiter auf die deutschen Soldaten angewiesen.
Afghanistan - Ein Land außer Kontrolle?
Thomas Ruttig, Afghanistan Analyst Network
Dossier Politik, 7.2.2018, 21:05 Uhr, Bayern2