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Martin Schulz und Andrea Nahles

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Welche SPD-Chefs die neue Vorsitzende Nahles hinter sich ließ

Andrea Nahles soll heute zur SPD-Chefin gewählt werden. Der Job als Parteivorsitzender war oft genug eine Art Schleudersitz. Das weiß Nahles: Sie hat in ihrer politischen Karriere schon viele Parteivorsitzende erlebt - und überlebt. Von Lisa Weiß

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Erster Akt: Rudolf Scharping

"Das war mir ein bisschen zu viel Lirum, Larum, Löffelstil, Rudolf." Andrea Nahles, 1995

Rudolf Scharping ist 1995 als Parteivorsitzender definitiv schon angezählt. Der Kurs der SPD - unklar. Die Bundestagwahl - ebenso verloren wie diverse Landtagswahlen und Kommunalwahlen. Scharping wirkt vor seinen Genossen immer wieder hilflos:

"Sagt es mir doch wie in jeder schönen Kneipe, wenn Sie mit dem Essen zufrieden sind, sagen Sie es anderen, wenn Sie nicht zufrieden sind, sagen Sie es doch erst mal mir. Ich find es zum Kotzen, dass ich manches dadurch erfahre, dass es mir Journalisten erzählen. Erzählt’s mir doch direkt, das ist doch viel einfacher." Rudolf Scharping

Andrea Nahles, damals 25, lässt sich das nicht zweimal sagen. Die Juso-Chefin unterstützt den Putsch gegen Scharping beim legendären Mannheimer Parteitag Ende 1995. Und erklärt Scharping: Die Jusos hätten beschlossen, einen anderen Vorsitzenden zu unterstützen. In einer Kampfkandidatur setzt sich Oskar Lafontaine gegen einen sichtlich geknickten Rudolf Scharping durch.

Zweiter Akt: Gerhard Schröder

"Wir brauchen keine Politmachos." Andrea Nahles

Vor allem keine, die bei den Sozialleistungen kürzen - Andrea Nahles ist nicht umsonst als "linke Nervensäge" bekannt. Entsprechend scharf kritisiert sie Hartz IV und die gesamte Agenda 2010, fordert lieber eine Vermögenssteuer und stimmt sogar gegen die Gesundheitsreform ihrer eigenen Partei. Mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder ist sie offen unzufrieden. Ihr Grund:

"Dass wir den Eindruck haben und wir, das ist die Partei in dem Fall, dass diese Regierung konzeptlos,perspektivlos und instinktlos ist. Das ist hart, aber es ist die Wahrheit." Andrea Nahles

2004 haben sie und andere Kritiker Erfolg - Schröder gibt entnervt den Parteivorsitz ab:

"Ich habe, meine Damen und Herren, für morgen den SPD-Vorstand einberufen lassen, ich werde ihm vorschlagen, auf einem Sonderparteitag Ende März Franz Müntefering als Parteivorsitzenden zu wählen." Gerhard Schröder

Dritter Akt: Franz Müntefering

"Ich bin ned der Typ, der gerne Leute abmeiert und dann hier: Hast gut gedient, aber war halt scheiße und jetzt musst gehen." Andrea Nahles

Eigentlich ist Franz Müntefering einer der Förderer von Andrea Nahles. Doch 2005 will er lieber seinen engen Vertrauten Kajo Wasserhövel als SPD-Generalsekretär durchsetzen. Das lässt sich Andrea Nahles nicht gefallen. Sie kandidiert gegen Wasserhövel. Und setzt sich durch, mit 23 zu 14 Stimmen auch noch ziemlich deutlich. Die Folge: Müntefering wirft hin.

"Wir haben Andrea Nahles viel Erfolg bei dieser wichtigen Aufgabe gewünscht. Ich habe dann eine Präsidiumssitzung einberufen, in der habe ich klargemacht, dass ich auf dem Parteitag in Karlsruhe nicht wieder als Parteivorsitzender kandidiere." Franz Müntefering

Nahles, plötzlich als "Königsmörderin" bekannt, versichert immer wieder: Diesen Rücktritt habe sie nicht gewollt. Sie verzichtet auf das Amt der Generalsekretärin, stellt sich auch nicht als Vize-Parteichefin zur Wahl. Und hält sich damit eine Karriere in der SPD weiter offen.

Vierter Akt: Sigmar Gabriel

"Ich glaub, dass ich der Partei auch damit nutze, kritischen Tönen auch zu Ausdruck verhelfe." Andrea Nahles

Als Generalsekretärin muss sie unter Sigmar Gabriel von 2009 bis 2013 aber einiges einstecken, viele seiner Kehrtwendungen mittragen. Auch wenn beide immer wieder demonstrativ ihre Verbundenheit zeigen: "Hase, sag ich immer noch nicht zu ihr", sagt Gabriel. Nahles: Ja, danke. Gabriel: "Das würde sich ihr Ehemann vermutlich auch verbitten. Nahles: "Ja, glaub ich schon." Gabriel: "Meine Freundin auch."

Die beiden misstrauen sich, die Abneigung ist gegenseitig. Daran, dass Gabriel den Rückhalt in der Partei verliert, ist Nahles, damals Arbeitsministerin, nicht unschuldig. Gabriel macht vor der Bundestagswahl den Weg frei für Martin Schulz. Andrea Nahles hält sich zurück. Sie spekuliert wohl schon auf die nächste Wahl, die 2021.