Die Münchner CSU-Stadträtin Alexandra Gaßmann traute ihren Ohren nicht: Eine städtische Kinderkrippe verbietet Eltern, ihre Kinder beim Sommerfest zu fotografieren. Die Eltern sind stocksauer. Ein Vater, der beruflich nicht beim Sommerfest dabei sein konnte, fühlt sich eines tollen Erlebnisses beraubt.
Unsicherheit durch die DSGVO
Die Begründung der Leitung für die umstrittene Maßnahme: Die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU. Die wirkt wie ein Schreckgespenst, und das Drohpotential ist in der Tat nicht ohne: Bis 20 Mio. Euro Bußgeld - internationale Konzerne müssen im Extremfall sogar bis zu vier Prozent ihres Welt-Jahresumsatzes als Strafe zahlen, wenn sie gegen die Verordnung verstoßen. Das wirkt bis in bayerische Krabbelgruppen hinein. Und jetzt: Fotoverbot beim Sommergrillen, beim Wiesn-Ausflug, beim Nikolausbesuch?
Experte: Es hat sich eigentlich nichts geändert
Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri schüttelt den Kopf, denn in der Datenschutzverordnung steht überhaupt nichts über private Fotografie. Es hat sich also eigentlich durch die DSVGO in diesem Bereich gar nichts geändert. Bei Portrait-Aufnahmen von fremden Kindern muss man deren Eltern fragen. Das ist ja allein schon eine Sache des Anstands. Fotos von den eigenen Kindern sind natürlich erlaubt, auch wenn fremde Kinder sozusagen als "Beiwerk" mit abgebildet sind. Diese Bilder darf man, wenn sie bei öffentlichen Veranstaltungen entstanden sind, sogar veröffentlichen, wenn der Veranstalter darauf hingewiesen hat.
Fotografieren ja, aber ein Facebook-Post ist problematisch
Das Veröffentlichen von Fotos, die bei Schulveranstaltungen gemacht wurden, ist etwas heikler: Denn die Schule ist ein besonders geschützter Rahmen. Für das private Familienalbum ist das Fotografieren ok. Anders bei einer Veröffentlichung auf Facebook. Dann müssen Eltern mit Haftungsrisiken leben, wenn sich Eltern anderer mit abgebildeter Kinder gegen die Veröffentlichung zur Wehr setzen. Dass – vereinfacht gesagt – das Veröffentlichen, und nicht das Fotografieren das Problematische ist, war schon die letzten Jahre so. Dennoch wurde gerade jetzt zum Beispiel auch an einer Grundschule im Landkreis Starnberg ein pauschales Fotografier-Verbot beim Schulfest ausgesprochen, und an einem Gymnasium wird über ein Fotoverbot auf Abifeiern diskutiert. Interviews dazu wollte keine der betroffenen Schulleitungen geben.
Übertriebene Vorsicht bei Schulen und Kitas
Beim Datenschutzbeauftragten, der auch öffentliche Einrichtungen kontrolliert, läutet ständig das Telefon. Sportvereine sind verunsichert, manche Gemeinden engagieren für 10.000 Euro jährlich eine Kanzlei, um beim Datenschutz bloß nichts falsch zu machen. Alexandra Gaßmann hat das Münchner Sozialreferat aufgefordert, aufzuklären. Ein pauschales Fotografier-Verbot, um auf der sicheren Seite zu sein, will sie nicht akzeptieren. Klare Ansagen wünschen sich auch die Schulen - und zwar vom Kultusministerium. Aber auch da runzelt der Datenschutzbeauftragte die Stirn: Man kläre seit 2016 auf, was die Datenschutz-Verordnung bringt, und eben nicht bringt. Es gibt also Informationen, die allerdings oft im Alltag an den Menschen vorbeirauschen würden.