Vor zwei Wochen sah es kurz so aus, als habe die EU-Kommission resigniert. Eine Sprecherin erklärte auf Anfrage eines Journalisten, die Behörde habe ihren Vorschlag zurückgezogen, die Zeitumstellung in der EU abzuschaffen. Die Begründung: Die EU will den Vorschriftendschungel lichten und alle Gesetzesentwürfe abräumen, über die EU-Mitgliedsstaaten und Europäisches Parlament seit mehr als fünf Jahren ergebnislos verhandeln. Auf dieser Liste der zu streichenden Vorhaben stehe auch die Abschaffung der Zeitumstellung, hieß es zunächst.
Logisch wäre es: Schließlich hat die Kommission das schon 2018 angeregt, ohne dass seitdem viel passiert ist. Aber eine zweite Kommissionssprecherin korrigierte schließlich ihre Kollegin: Obwohl der Vorstoß seit sieben Jahren im europäischen Gesetzgebungs-Limbo zwischen Kommission, Mitgliedsstaaten und Parlament dümpelt, hat Brüssel ihn doch nicht endgültig zu den Akten gelegt.
Weiter wie bisher
In der Sache hat sich allerdings nichts geändert. Wie jedes Halbjahr dreht die Gemeinschaft am Wochenende wieder an den Uhren, obwohl viele Bürgerinnen und Bürger dagegen sind und EU-Abgeordnete regelmäßig das Ende der Zeitumstellung einfordern – entsprechend den Vorschlägen der Kommission: Die hat 2018 empfohlen, die saisonale Umstellung zu beenden. Stattdessen sollten sich die Mitgliedsstaaten dauerhaft für Sommerzeit oder Standardzeit (also die ab Sonntag nicht mehr geltende "Winterzeit") entscheiden.
Bürger gegen Umstellung
Umfragen zeigen, dass die Zeitumstellung in europäischen Ländern nicht gut ankommt. Bei einer Online-Umfrage der EU-Kommission 2018 sprachen sich 84 Prozent dafür aus, sie abzuschaffen. Die meisten Menschen votierten dabei für eine dauerhafte Sommerzeit. Als Gründe für die Abschaffung wurden gesundheitliche Beeinträchtigungen, mehr Unfälle im Straßenverkehr und nur geringe Energieeinsparungen angeführt.
Die nicht repräsentative Umfrage ergab auch, dass das Thema besonders Deutschland umtreibt: Unter den 4,6 Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren drei Millionen Deutsche. Das EU-Parlament hat sich 2019 dafür ausgesprochen, zwei Jahre später mit der Zeitumstellung Schluss zu machen – was aber nicht geschah. Denn ohne Zustimmung der 27 Mitgliedsstaaten geht nichts voran und die haben es nicht eilig.
EU-Regierungen bremsen - vor allem im Westen
Für die Zeitumstellung sind die Verkehrsministerinnen und –minister aus den EU-Ländern zuständig und die haben sich zuletzt 2019 mit dem Thema befasst. Das liegt zum einen daran, dass sich die EU-Staaten nicht auf eine einheitliche Zeit verständigen können: Manche wollen die dauerhafte Sommerzeit, andere die ewige Winterzeit.
Das hängt damit zusammen, dass ein Ende der Zeitumstellung besonders die Menschen ganz im Westen und im Osten Europas träfe. So würden Amsterdam und Madrid mit dauerhafter Sommerzeit im Winter erst am Vormittag Licht sehen. Mit durchgängiger Winter- oder Normalzeit ginge die Sonne in Warschau und Stockholm im Sommer mitten in der Nacht auf und auch bei uns wären die hellen Abende deutlich kürzer.
Andere Herausforderungen
Die Vorgabe der Kommission lautet, mögliche Änderungen koordiniert vorzunehmen. Sie will einen Flickenteppich unterschiedlicher Zeitzonen vermeiden, um Wirtschaft, Verkehr und Grenzpendler nicht zu beeinträchtigen. Dass sich die EU-Staaten nicht an das Thema herantrauen, wird in Brüssel und Berlin auch damit begründet, dass sie in den vergangenen Jahren weitaus größere Herausforderungen zu bewältigen hatten – etwa die Corona-Pandemie und den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.
Die EU-Staaten stimmen sich seit fast 30 Jahren bei der Zeitumstellung aufeinander ab. In Deutschland wurde die Sommerzeit 1980 eingeführt, mit dem Ziel, Energie einzusparen. Das wurde nicht erreicht. Zwar wird im Sommer tatsächlich weniger Strom für Licht verbraucht, dafür wird im Frühjahr und Herbst morgens mehr geheizt.
Die Uhr tickt…
Trotzdem ist kein Ende in Sicht: EU-Kommission und Mitgliedsstaaten können sich nicht einmal darauf einigen, wer eine Folgenabschätzung durchführt. Berlin und andere Regierungen fordern Brüssel dazu auf. Dort heißt es, das sei Sache der Mitgliedsstaaten.
Kurz vor der Zeitumstellung im Herbst 2024 haben EU-Abgeordnete die polnische Ratspräsidentschaft in einem Brief aufgefordert, endlich zu handeln. Aber auch dieser Appell verhallte ohne sichtbare Folgen. Bis auf Weiteres werden Europas Bürgerinnen und Bürger also weiter halbjährlich ihre Uhren umstellen. Um sich die Richtung zu merken, hilft eine Eselsbrücke: Im Sommer stellen wir die Gartenmöbel vors Haus und die Uhr vor. Im Winter stellt man die Gartenmöbel zurück ins Haus und die Uhr zurück.
Im Audio: Zeitumstellung - Was kann ich vorher tun?
Zeitumstellung - Was kann ich vorher tun?
Dieser Artikel ist erstmals am 27. März 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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