Nein, Nibelungentreue kenne er nicht, sagte Andreas Beck auf der Pressekonferenz im Bayerischen Kunstministerium, aber treu, das sei er schon. Er werde also aus Basel viele Mitarbeiter mitbringen nach München. Deshalb müsse aber im Residenztheater niemand "einen Schreck bekommen". Tatsächlich gehört es zur Routine, dass Intendanten einen großen Stab aus Schauspielern, Dramaturgen und Regisseuren von einem Haus zum anderen mitnehmen.
"Zeitgenössische Dramaturgie" für München
Man suche immer einen "idealeren Produktionsort", um seine Projekte umzusetzen, so Beck. In Basel, wo er seit 2015 das Theater leitet, machten ihm die Politiker das Leben schwer: Die Zuschüsse wurden erheblich gekürzt, die Abonnenten gelten als konservativ, obendrein wird das Gebäude gerade bei laufendem Spielbetrieb saniert. Das alles macht es Andreas Beck offensichtlich leicht, seinen dortigen Intendantenjob vorzeitig aufzugeben – für ihn selbst kommt der Wechsel "eineinhalb Jahre zu früh", doch den "Rhythmus eines Tanzes" bestimme eben nicht immer der Tänzer. Für München kündigt er eine "zeitgenössische Dramaturgie" an. Den Text fremdsprachiger Klassiker will er grundsätzlich "überprüfen" und im Zweifel neu übersetzen lassen:
"Ein Stadttheater braucht ja nicht nur neue Stücke und unbekannte Titel und Namen, sondern es hat ja auch die Aufgabe Klassiker oder vergessene Stoffe wieder sichtbar und deutlich zu machen. Und was wir in Basel angestrebt haben, war, dass wir alle Stoffe, die in Übersetzungen vorliegen, immer wieder neu literarisch begreifen wollen. Also, dass nicht nur der Kunstgriff der Regie an der Interpretation anknüpft, sondern dass es auch ein literarischer Kunstgriff ist, mit dem wir diese Werke neu vorstellen. Das heißt, alles, was wir kennen, sei es Molière oder antike Stoffe, haben wir versucht, neu zu übertragen. Das bezeichne ich als Zeitgenossenschaft." Andreas Beck
So habe er jahrelang gedacht, das Stück "Caligula" von Camus sei verstaubt. Erst eine Neuübersetzung habe es für ihn interessant gemacht, so Andreas Beck.
"Nicht streiten und rumschreien"
Beck wurde 1965 in Mülheim an der Ruhr geboren, hält München jedoch für seine "zweite" und seine "geistige Heimat", weil er hier studiert hat – zeitweise übrigens mit dem jetzigen Kunstminister Ludwig Spaenle. Am Residenztheater übernahm er auch seinen ersten Dramaturgen-Posten (1994 - 1997). Weitere Stationen waren Stuttgart, Hamburg und Wien, wo er acht Jahre lang das kleine Schauspielhaus leitete, in schwieriger Konkurrenz zum dortigen Burgtheater. Beck profilierte sich neben dem "Platzhirschen" mit betont aktuellen Gegenwartsstücken und machte das Schauspielhaus zu einer "Uraufführungsbühne" für junge österreichische und deutsche Dramatiker.
Jetzt soll er ab 2019 mindestens fünf Jahre lang in München den Spagat zwischen Klassiker-Pflege und Neuentdeckungen bewältigen. Auch die Abonnenten an der Isar sind launisch, zumal auf der Straßenseite gegenüber, in den Münchener Kammerspielen, sehr experimentelles Regietheater gemacht wird – da sind viele froh, wenigstens am Staatsschauspiel etwas konventionelleres Theater genießen zu können. Unter dem Noch-Intendanten des Residenztheaters, Martin Kusej, gab es häufiger Schlagzeilen über angeblich autoritäres Gehabe und offenen Krach mit Schauspielern. Das soll sich ändern. "Streiten und rumschreien" mag Beck jedoch gar nicht, er legt Wert auf "gepflegten Umgang", ihm ist eine entspannte Atmosphäre wichtig: "Theater kann auch Spaß machen".
Verschiedene Regie-Stile
Daher will er auch verschiedene Regie-Stile zulassen: "Ich glaube, dass das Residenztheater für den Aufbruch, den man sich mit mir erhofft, auch verschiedene Regiehandschriften, verschiedene künstlerische Zugriffe auf Theater wünscht", sagt Andreas Beck. "Dass es also nicht nur eine Intendantenhandschrift ist, die dann sozusagen das Haus prägt, sondern dass es sehr polyphone Regiehandschriften geben könnte."
Beck ist bekannt dafür, dass er in Basel mit wenigen, ausgewählten Regisseuren arbeitete. Mit diesen werde es ihm keineswegs "fad", so bemerkte er auf eine kritische Nachfrage, vielmehr werde er weiterhin mit vertrauten Kollegen arbeiten: "Es gibt was zu tun."