Bildrechte: dpa/picture alliance
Bildbeitrag

"Die Verlegerin"

Bildbeitrag
> Kultur >

"Demokratie stirbt in der Dunkelheit": Film über Kay Graham

"Demokratie stirbt in der Dunkelheit": Film über Kay Graham

Steven Spielberg hat inmitten einer Presse-Krise die Geschichte der "Pentagon Papers" verfilmt. Mit Meryl Streep und Tom Hanks in den Hauptrollen. Es geht um die unerschrockene Washington-Post-Verlegerin Katherine Graham. Von Christian Alt.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

„Democracy dies in Darkness“ – Demokratie stirbt in der Dunkelheit. Das ist seit rund einem Jahr das neue Motto der Washington Post. Es ist ein Motto für eine Gegenwart, in der alle über Fake News und alternative Fakten reden. Aber es sah schon zu einer anderen Zeit düster aus für die amerikanische Presselandschaft. Und zwar in den 70ern, als Richard Nixon alles unternommen hat, um unliebsame Meldungen zu unterdrücken. Darunter auch: Die Pentagon Papers. Geheime Dokumente, die nachgewiesen haben, dass der Krieg in Vietnam nicht gerechtfertigt war.

"Oscar-Köder": Anrührend und wahr

In den USA, wo das Rennen und das Buhlen um die Oscars beinahe schon groteske Ausmaße erreicht, gibt es ein schönes Wort: Oscar-Bait, also Oscar-Köder. Damit sind solche Filme gemeint, von denen die Produzenten schon vorher wissen, dass sie der Academy gefallen werden. Die Academy liebt zum Beispiel anrührende Geschichten, am besten basierend auf einer wahren Begebenheit. Und noch besser, wenn eine unterdrückte Minderheit drin vorkommt. Und noch viel viel besser, wenn ein Top-Star die Hauptrolle spielt.

Seiden-Taschentuch für Tränen

Ray Charles, Alan Turing, Harvey Milk. Nach einem guten Oscar-Bait-Film soll man sich mit dem Seidentaschentuch eine Träne wegwischen und dann das Scheckbuch für eine gute Sache rausholen. Und klar: Oscar-Bait-Filme können auch richtig gute Filme sein, aber formelhaft sind sie eben schon. Steven Spielberg hat jetzt den heiligen Gral des Oscar-Bait-Films entdeckt. Denn “Die Verlegerin” schickt sich an, der beste Oscar-Bait-Film aller Zeiten zu sein.

Alle Posten mit Zigarre

Da wäre zum einen die Besetzung. Steven Spielberg hat eine Riege an Stars um sich versammelt, die man so selten gesehen hat. In den Hauptrollen brillieren Meryl Streep und Tom Hanks. In den Nebenrollen so ziemlich jeder Charakterkopf, der einem in den letzen Jahren untergekommen ist. Auch das nächste Kriterium eines Oscar-Bait-Films wird von Spielberg erfüllt: die wahre Geschichte mit klarer moralischer Message. Meryl Streep spielt Kay Graham, die Verlegerin der Washington Post. Die hat das Geschäft nach dem Tod ihres Mannes übernommen und steht jetzt vor einer doppelten Herausforderung: Zum einen will sie die Washington Post zur überregionalen Tageszeitung machen. Und zum anderen muss sie sich gegen den Boy’s Club durchsetzen, der Zigarre rauchend alle Posten besetzt – ein Boy’s Club, von dem sie Jahre profitiert hat, wie sich Chefredakteur Ben Bradlee erinnert:. 

Weißt du, das einzige mir bekannte Paar, mit dem sowohl Kennedy als auch Lyndon B. Johnson verkehren wollten, warst du und dein Mann. Und euch gehörte die verdammte Zeitung! Aber genauso hat das funktioniert. Politiker und Presse haben einander vertraut, damit sie auf dieselben Dinnerpartys gehen, Cocktails trinken und Witze reißen konnten. – Ich weiß nicht, worüber wir hier reden, aber ich nehme Lyndon nicht in Schutz. – Aber seinen Verteidigungsminister Robert McNamara. – Die Zeitung ist alles, was ich in Schutz nehme!

Papers schlagen ein wie eine Bombe

Die Studie, von der Bradlee hier spricht, das sind die Pentagon Papers, die soeben von der New York Times veröffentlicht wurden: jahrzehntelange Studien darüber, dass der US-Einsatz in Vietnam nichts gebracht hat. Dass Kennedy, Johnson und Nixon amerikanische Soldaten haben sterben lassen, weil das Eingeständnis einer Niederlage zu peinlich gewesen wäre. Kein Wunder, dass die Papers einschlagen wie eine Bombe. Aber die New York Times bekommt Probleme - Nixons Regierung verklagt sie wegen Geheimnisverrat. Als die Washington Post dann auch die Geheimpapiere erhält, steht Verlegerin Kay Graham vor einer schweren Entscheidung: veröffentlichen oder nicht veröffentlichen?

Als einer deiner vertrautesten Berater, der außerdem weiß, was dir diese Firma bedeutet, bin ich besorgt, Kay. Ich habe zehn Jahre in Washington gearbeitet. Ich kenne diese Leute. Bobby und Lyndon, das waren zähe Burschen. Aber Nixon ist anders. Und wenn ihr das veröffentlicht, holt er die schlimmsten, die er hat. Die Colsons und die Ehrlichmanns und er zerquetscht dich. – Ich weiß, das ist alles schrecklich – Nixon ist ein Hurensohn! Er hasst dich und er hasst Ben. Er will die Zeitung seit Jahren ruinieren und dann kriegst du keine zweite Chance, Kay. - Ben Bradlee im Film

Leerstelle Donald Trump

Die große Leerstelle dieses Films heißt natürlich: Donald Trump. Er ist es, der jede Szene überschattet. In jeder Einstellung scheint uns Steven Spielberg zuzuzwinkern und zu flüstern: “Ja ja, das hier alles spielt in den 70ern und alle haben tolle Perücken auf, aber du verstehst schon, was ich sagen will, gell?” Der Holzhammer als künstlerisches Prinzip. Das soll aber nicht heißen, dass “Die Verlegerin” ein schlechter Film ist. Ganz im Gegenteil, es ist ein guter Film. Steven Spielberg ist inzwischen DER Großmeister des Hollywoodfilms. Hier sitzt jede Einstellung, jeder Spannungsbogen, jeder Blick von Streep und Hanks. Es ist ein handwerklich perfekter Film mit starken Schauspielern.

Zu perfekt, zu erwartbar

Das Problem ist nur: Der Film ist zu perfekt, zu erwartbar. Hier gibt es keine Überraschungen, keinen doppelten Boden, man bekommt genau das, was man erwartet. Einen perfekten Oscar-Bait-Film mit Top-Darstellern und aktueller Botschaft. Er ist die Verkörperung all dessen, was Hollywood in den letzten Jahrzehnten so erfolgreich gemacht hat. Wer allerdings Lust auf neue Perspektiven hat, neue Ideen, das Kino von Morgen: Der wird hier nicht fündig. Und anscheinend die Academy das ähnlich. Denn statt dem erwarteten Oscar-Regen ist der Film nur für zwei Preise nominiert. Vielleicht schmeckt Hollywood die eigene Erfolgsformel auch nicht mehr.