Oscarpreisträger Tom Hanks - 1993 spielte er einen homosexuellen und an AIDS erkrankten Rechtsanwalt in "Philadelphia" - sagt heute, er würde als heterosexueller Mann diese Rolle nicht mehr spielen. Es werde zu Recht mehr Authentizität im Kino verlangt. Dass diese Rolle ihm seinen ersten Darsteller-Oscar einbrachte, fällt hier nicht ins Gewicht.
Hollywoodstar Scarlett Johansson hat eine Rolle als Trans-Mann abgelehnt, nach Protesten aus der Trans-Community. Auch andere Filmstars sehen sich mittlerweile nicht mehr als Idealbesetzung. Eddie Redmayne würde seinen Oscar-nominierten Auftritt als transsexueller Künstler in "The Danish Girl" von 2015 am liebsten ungeschehen machen.
Der Wandel hinsichtlich mehr Repräsentanz in Filmen und Serien ist in vollem Gange. Dabei wird speziell in den USA seit einiger Zeit dabei eine Diskussion um die Rollenpolitik geführt: Sollten bestimmte Figuren auch von den entsprechenden Schauspielenden verkörpert werden, die bislang von der Branche eher ausgegrenzt wurden? Oder werden so Einsatzmöglichkeiten und Leistung der Darstellenden zu sehr eingeengt, die künstlerische Freiheit beschnitten?
Offen schwule Schauspieler spielen ein schwules Pärchen im jüngsten Shyamalan-Thriller
kinokino, das Filmmagazin des BR Fernsehens, hat dazu M. Night Shyamalan, Regisseur von Kassenhits wie "The Sixth Sense" befragt. Shyamalan sagt: "Kniffliges Thema. Einerseits sollte man Möglichkeiten schaffen. Andererseits will man nicht herablassend sein und sagen: Wir haben da jemandem eine Chance gegeben. Die Person kann es zwar nicht so gut, aber egal: Hauptsache, Quote erfüllt."
Shyamalan besetzt viele Rollen gerne authentisch. In seinem aktuellen Thriller "Knock At The Cabin" gibt es ein homosexuelles Paar, verkörpert von zwei offen schwulen Schauspielern. In diesem Fall eine Selbstverständlichkeit, aber wie eng werden die Grenzen für die Schauspiel-Branche künftig gesteckt? Schauspieler Florian David Fitz - er spielte 2022 in "Oskars Kleid" den Vater eines Jungen, der lieber ein Mädchen sein will - steht der neuen Entwicklung ambivalent gegenüber.
Florian David Fitz:
"Der Kern da drin ist: Lass mal die Leute hervorholen, die nicht zum Zug kommen. Wunderbar, let’s do it! Such nach den Leuten! Ich hätte keine von den Rollen spielen können. Ich hätte den Vincent ('Vincent will Meer', 2010) nicht spielen können, der hatte Tourette. Ich hätte Gauß in 'Die Vermessung der Welt' nicht spielen können, denn ich bin kein Mathematik-Genie. Ich hätte 'Hin und weg' nicht spielen können, denn ich habe kein ALS, ich will keine Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Nichts davon hätte ich spielen können. Ich könnte mein eigenes, langweiliges Leben spielen, aber das wissen wir doch alle, ist doch ein Schmarrn."
Forderung nach mehr Gleichberechtigung und Diversität
Wer soll künftig wen spielen? Nur noch die, deren Ethnie oder Geschlechtsidentität mit den Film-Charakteren übereinstimmen? Die Forderung zielt auf mehr Gleichberechtigung und Diversität ab. Berechtigt oder überzogen? Erfolgsschauspieler Elyas M'Barek, der sich die Rollen aussuchen kann, würde abwägen.
Elyas M’Barek:
"Ich kann manche Dinge nicht so ganz nachvollziehen. Ich wurde zum Beispiel darauf angesprochen, warum ich als Nicht-Türke in "Türkisch für Anfänger" einen türkischen Jungen spiele. Was soll ich dazu sagen? Soll ich in Zukunft nur halbe Österreicher, halbe Tunesier spielen? Dann gibt es wenig Rollen für mich. Ich weiß es nicht. Ich glaube, man muss immer abwägen, man kann da nie allgemein ein Urteil fällen."
Und wie sehen es die, die für die Besetzung mitsorgen? Gwendolyn Clayton ist Casting Director in München. Sie arbeitet dafür, dass der Wandel nicht einengt.
Gwendolyn Clayton:
"Ich will weiterhin die künstlerische Freiheit auch als Caster haben, nach einem Casting zu sagen: Ich finde aber, nach diesem Casting-Prozess ist diese Person die bessere Wahl. Aber ich finde es richtig und wichtig, dass wir versuchen, diese Personenkreise ins Casting miteinzubeziehen. Denn es ist mir schon wichtig, dass wir in dieser ganzen Thematik das Positive hervorheben. Dass sich wahnsinnig viel tut und wir immer und immer mehr von dieser Klischee-Besetzung wegkommen."
Inklusion und Vielfalt wird auch in deutschen Produktionen immer wichtiger. Nur stößt Casterin Clayton, wenn es um Rollen für Minderheiten geht, manchmal an ihre Grenzen.
"Es ist nicht leicht, immer aus dem Personenkreis authentisch zu besetzen, deren Thematik wir erzählen."
Die jüngste Berlinale trägt dem Wandel Rechnung
Aber es tut sich was. Gerade feierte auf der Berlinale ein Film Premiere, für den die österreichische Schauspielerin Thea Ehre einen Silbernen Bären gewann, für die beste Nebenrolle gewann. In "Bis ans Ende der Nacht" – eine Krimi-Liebesgeschichte von Christoph Hochhäusler, Kinostart ist am 6. Juli 2023 – spielt Ehre das, was sie wirklich ist: eine Transfrau. Wie sieht sie die Diskussion?
"Ich sehe das lockerer. Ich sehe es so: Als schauspielende Person jeden Geschlechts kann man spielen, was man möchte. Außer Hautfarbe, das ist ein No-Go. Blackfacing ist ein No-Go, das geht nicht. Das Ziel wäre ja auch, einfach zu sagen: Jeder kann alles spielen. Aber dann möchte ich auch Cis-Rollen haben. Und das ist grad der Punkt, wo viele Leute halt sagen: Wir wollen jetzt so besetzen, damit mal die ganzen Leute mit auf den Markt kommen. Damit man uns kennt, damit man uns sieht. Und dann kann man auch switchen. Das wär doch total cool."
Jüngste Beispiele für den Wandel sind der neue "Bridgerton"-Serienableger "Queen Charlotte: A Bridgerton Story" auf Netflix, in dem es "People of Color" sind, die auf dem Königsthron sitzen. Und das so genannte colour-blind-Casting, eine bewusst farbenblinde Besetzung, sorgt auch dafür, dass bald eine schwarze Meerjungfrau "Arielle" für Disney die Kinosäle füllen soll.
Für Casterin Gwendolyn Clayton steht fest:
"Genauso, wie wir über diese POC-Besetzung (People of Colour) vor fünf Jahren noch ganz anders gesprochen haben, bin ich der festen Überzeugung, dass wir über diese Thematik - Trans-Besetzung, Besetzung von geistig und körperlich eingeschränkten Menschen - in fünf Jahren hoffentlich auch noch mal anders sprechen werden."
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