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Figaro in Aktion

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Her mit dem Zaster: "Der Barbier von Sevilla" in Nürnberg

Her mit dem Zaster: "Der Barbier von Sevilla" in Nürnberg

In nur zwölf Wochen komponierte Rossini seine Erfolgsoper. Josef Köpplinger inszeniert sie als schwungvolle Gesellschaftskritik des faschistischen Franco-Spanien. Im Mittelpunkt: Die Liebe - allerdings die zum Bargeld. Nachtkritik von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Hier dreht sich alles um die Liebe, natürlich, was sonst, aber es ist die Liebe zum Geld: Heiß und innig, wie es sich für das andalusische Sevilla gehört. Alle sind hier käuflich, die Prostituierten im Eros-Club sowieso, aber auch der Barbier, der Pfarrer, der Notar, die Haushaltshilfe, die Soldaten. Jeder nimmt, wo er kann, jeder stopft sich die Taschen voll, jeder giert nach den Scheinchen und hat allzeit ein waches Auge, wo sie holen sind. Das Bargeld spielt denn auch die Hauptrolle in diesem "Barbier von Sevilla".

Verdienen, kassieren, einsacken

Regisseur Josef Köpplinger orientierte sich dabei an der Entstehungsgeschichte der Oper. Geschrieben wurde der Text 1775, kurz vor der französischen Revolution, als die Korruption allgegenwärtig und der Verfall der Gesellschaft unausweichlich war. Die Musik wurde 1816 komponiert, als die Revolution schon wieder Geschichte war und alle da weitermachten, wo sie aufgehört hatten: Beim Verdienen, kassieren, einsacken. So gesehen schrieb Rossini eine Satire auf seine Zeit, auf die Restauration, die Spießer und Geschäftemacher, die heilfroh waren, dass die napoleonische Ära vorbei war, mit ihren Kriegen, ihren Umstürzen, ihren Empörkömmlingen. Die alte Elite durfte endlich wieder zulangen.

Kommode, Fernseher, Bügelbrett

Da war es einigermaßen logisch, dass Josef Köpplinger die Handlung in das faschistische Spanien der Franco-Ära verlegte, denn auch da waren viele froh über die vermeintlich "geordneten Verhältnisse", über die Beseitigung der Volksfrontregierung und der Republik. Penibel wird das Franco-Porträt poliert, die Soldaten dürfen sich alles herausnehmen, solange der Geldkreislauf nicht stockt. Ausstatter Harald Thor hatte ein paar schäbig-bunte Häuschen mit Sofa, Kommode, Röhren-Fernseher und Bügelbrett entworfen, lauter Kennzeichen kleinbürgerlicher Gemütlichkeit. Die jedoch wankt und kippt, denn die Häuschen fliegen teils wie Meteore durch die Luft und geraten in Schieflage.

"Jeder denkt an sich"

Mit ungeheuer viel Detailarbeit zeigt Regisseur Köpplinger das geschäftige Treiben in diesem spießig-verkommenen Sevilla. Die Geistlichkeit lässt alles mitgehen, was nicht niet- und nagelfest ist, die Metzgers-Gattin neigt zu Ohnmachten, die Straßenkinder investieren ihre wohl geklauten Groschen für Süßigkeiten, die Nutten baggern von früh bis spät Kunden an, die Arbeiter schieben eine ruhige Kugel - kurz: Alle halten sich an die bewährte Regel "Jeder denkt an sich, nur ich denke an mich". Es macht Spaß, diesem turbulenten Treiben zuzusehen und es ist anstrengend, weil soviel gleichzeitig passiert. Hier greift jemand in den Kaktus, dort schiebt eine Schwangere einen Kinderwagen vor sich her, es randalieren Soldaten, es werden Würste geliefert, ein Gewitter zieht herauf, jemand wird vom Blitz getroffen.

Harmlose Franco-Ära

Das ist mitunter so unübersichtlich, dass schon egal ist, wer gerade singt, und ja, es lenkt nicht nur ab, es ist streckenweise auch albern. Beim Unterhaltungsprofi Rossini geht das in Ordnung, aber das Regiekonzept von Josef Köpplinger wirkt dadurch über drei Stunden hinweg doch etwas fahrig und überdreht, wenn auch zweifellos gekonnt. Doch warum zitiert er die Franco-Ära, wenn die dann letztlich so harmlos-malerisch aussieht? Der spanische Stolz, der lächerliche Machismo, die nach außen gekehrte Männlichkeit, all das hätte Thema sein können, doch Martin Platz als Graf Almaviva ist kein gockelhafter Latin-Lover, sondern sieht aus wie ein sehr braver, blonder Student und singt auch so unverbindlich.

Schmusekatze wird entsorgt

Ludwig Mittelhammer als schlitzohriger Figaro sieht ebenfalls blendend und jugendfrisch aus, aber nicht wie ein Kerl, der die Kunden einseift - stimmlich freilich bleiben bei ihm keine Wünsche offen. Ida Aldrian als umschwärmte Rosina ist quirlig und aufgeweckt, aber auch viel zu bieder. Herrlich authentisch ist dagegen Dieter Fernengel als ungeschickter Diener Ambrosio, der nach jeder Szene einen Wundverband mehr trägt und am Ende entschlossen die Schmusekatze entsorgt, die ihm das Gesicht zerkratzt hat. Auch Jens Waldig als Doktor Bartolo ist ein glaubwürdiger alter Zausel, der sein Mündel aus Geltungsdrang heiraten will. Volker Hiemeyer hätte noch etwas mehr tänzerischen Elan in diesen Rossini hineindirigieren können, lebt die Partitur doch von den aberwitzigen und völlig sinnfreien, aber artistischen Tempo-Steigerungen. Großer Beifall für schwungvolle, aber auch erschöpfende Unterhaltung.

Wieder am 15., 19. und 21. Mai, sowie weitere Termine.