Von der "Generation Moskwitsch" zur "Generation Golf": Adam Soboczynski war gerade einmal sechs, als er im September 1981 zusammen mit seinen Eltern aus dem kommunistischen Polen in die – aus seiner Perspektive – knallbunte Bundesrepublik Deutschland übersiedelte. Für den Knaben Adam nichts weniger als die Reise in ein gelobtes Land.
- Zu "Eins zu Eins. Der Talk": Autor Adam Soboczynski
"Traumland" Deutschland
"Deutschland wurde mir damals schon, daran erinnere ich mich tatsächlich noch sehr genau, als ein paradiesisches Land, als Traumland versprochen, als eines, in dem alles fantastisch ist, in dem es wirklich einen Wohlstand gibt, der unvorstellbar ist, im Prinzip also ein Märchenland", sagt Adam Soboczynski. Für ihn sei das Entscheidende gewesen, dass alles genau so war, wie es vorhergesehen worden war. Es gab für ihn keine Enttäuschung: "Es war ein bisschen so, als hätte man einem Schwarzweißfilm-Film auf einmal die Farbe geschenkt. So war der Unterschied."
Die neue Heimat nahm den sechsjährigen Adam mit kulinarischen und sonstigen Sensationen für sich ein. In Koblenz am Rhein, wo sich die Soboczynskis niederließen, gab es zum Beispiel aufsehenerregende, niemals zuvor gekostete Speisen: Tiefkühlpizzen oder Toast Hawaii. Spektakulär. Durch ihren Arbeitsfleiß und ihren hartnäckigen Integrationswillen gelang Adam Soboczynskis Eltern innerhalb relativ kurzer Zeit der Aufstieg in den bundesdeutschen Mittelstand.
Aufstieg in den Mittelstand
Im Buch habe er versucht, das als Kleinbürgerlichkeit zu bezeichnen, das sei aber nicht negativ. Im intellektuellen Milieu spreche man davon "fast schon mit so einer gewissen Igitt-Haltung". Er habe dieses Milieu, aus dem er kommt, weniger verteidigen wollen, als es vor allen Dingen darstellen wollen.
Die Soboczynskis mochten kleinbürgerliche Tugenden hochhalten, im Elternhaus des späteren "Zeit"-Feuilletonisten wurde aber auch Wert auf Ansätze von Weltoffenheit gelegt. Und Bildung zählte etwas. Der Literaturunterricht an der Schule sei ein Segen für ihn gewesen, erinnert sich Soboczynski. Goethe, Kleist und Büchner, Kafka, Celan und Bachmann – all das habe er im Deutschunterricht kennen und schätzen gelernt.
Frontalunterricht in katholischer Schule
Wie sich das gehört als Pole sei er auf einer katholischen Schule gewesen mit Frontalunterricht, "das wurde einem so ganz ordentlich beigebracht" sagt Soboczynski . "Da war der Barock, dann kam irgendwann die Aufklärung, dann kam irgendwie Sturm und Drang und Romantik und so weiter und so fort. Und das sind hier die Autorinnen und Autoren, und da müsst ihr das und das lesen. Das war für mich ideal, weil ich noch nicht so richtig zur Interaktion in diesem Ausmaß fähig war wie andere". Aus seinem Elternhaus habe er nichts, was deutsche Kulturgeschichte betrifft, mitbekommen. Sein Vater sei Maschinenbautechniker, seine Mutter Schneiderin und habe in Deutschland als Reinigungskraft gearbeitet, lange Zeit.
Geschichte einer gelungenen Integration
Adam Soboczynskis reflektierendes Erinnerungsbuch hat es schon wenige Tage nach seinem Erscheinen auf die "Spiegel"-Bestsellerliste geschafft. Das mag mit der positiven Grundhaltung des Buchs zusammenhängen, erzählt der 48-Jährige doch – immer wieder mit feinem Humor – die Geschichte einer gelungenen Integration. Die Bundesrepublik Deutschland und der konsensorientierte Liberalismus, der in diesem Land bis in die 2010er-Jahre hinein Common sense war, erscheinen durch die soboczynskische Brille gesehen fast schon wie aus der Zeit gefallen. Der Ukraine-Krieg und der Rechtsruck in zahlreichen westlichen Demokratien – auch in Deutschland – markieren für Soboczynski das Ende einer Ära, die 1989/90 mit dem Untergang der kommunistischen Diktaturen in Osteuropa begann. Es waren die Jahre der Freiheit, auf die Adam Soboczynski in subtil humorvollem und nostalgisch angehauchtem Tonfall zurückblickt. Retrospektiv gesehen: in vielen Aspekten goldene Jahre.
Adam Soboczynski: "Traumland – Der Westen, der Osten und ich" ist bei Klett-Cotta erschienen.
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