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Bistro-Szene

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Kommen Pariser Bistros auf die UNESCO-Welterbe-Liste?

Hohe Mieten und Fast-Food-Ketten bedrohen eine Pariser Institution. Jetzt wollen die Bistro-Betreiber endlich den besonderen Schutz der UNESCO. Das Kaffeehaus sei schließlich nicht nur ein Lokal, sondern ein "Lebensgefühl". Von Peter Jungblut.

Die Pariser Bistros (französisch "Bistrot") fühlen sich bedroht und wollen daher Unesco-Weltkulturerbe werden. Immer weniger Passanten haben nämlich Zeit und Lust, stundenlang an den runden Tischen zu sitzen, zu debattieren, zu lesen oder auch nur das bunte Treiben in den Straßen zu beobachten. Seit dem 17. Jahrhundert gibt es die für Paris typischen Kaffeehäuser. „Le Procope“ im Quartier Latin hieß eines der ersten, damals, ab 1686, Treffpunkt der gelangweilten und reichen Elite, die dringend einen öffentlichen Aufenthaltsort suchte. Das Zeitalter der Aufklärung war auf solche Cafés angewiesen, wo sonst sollte räsoniert und analysiert werden? Bis heute erwartet "Le Procope" seine Gäste, doch der Ruhm welkt.

System-Gastronomie auf dem Vormarsch

Um die Hälfte soll die Zahl der Bistros in den letzten 20 Jahren zurück gegangen sein, auf dem Land viel stärker als in Paris. Derzeit gibt es angeblich noch rund 2000 in der französischen Hauptstadt. Immer mehr Schnellimbisse und Restaurantketten ersetzen allerdings die traditionellen Kaffeehäuser. Damit lässt sich mehr Geld verdienen, die internationalen Touristen-Massen scheinen sich mit solcher Art System-Gastronomie auch wohler zu fühlen als mit den meist einfachen Speisekarten der Bistros. Auch die hohen Mieten an der Seine zwingen viele Lokale zur Aufgabe. Sprecher Alain Fontaine bedauert das sehr und will September einen Antrag im Kulturministerium einreichen, die gefährdeten Cafés auf die Unesco-Liste zu setzen.

"Müllmann und Manager"

Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo teilte jetzt via Twitter mit, die Lokale seien „ein wesentlicher Bestandteil des Charmes und der Identität von Paris“. Als Beispiel für ein besonders prestigeträchtiges Bistro wurde das "Chez Ammad" in der Rue Véron auf dem Montmartre in Paris genannt. Hier sollen sich Edith Piaf und Marcel Cerdan in den fünfziger Jahren getroffen haben. Im Bistro, so die Befürworter einer Unesco-Ehrung, träfen sich „Müllmann und Manager“.

Es ist ein Ort, wo Sie um sieben Uhr morgens hin kommen können, es ist eine Bar, wo Sie bis spät in die Nacht etwas essen können. Es gibt soviele Liebesgeschichten, die sich dort abspielen, so viele Freundschaften, die dort geknüpft wurden. Es ist ein durch und durch geselliger Ort. – Alain Fontaine

Viele prominente Fans

Bekannte Persönlichkeiten wie Schauspieler-Regisseur Jacques Weber, Komiker Pierre Arditi oder Sängerin Marianne James unterstützen die Initiative und halten das Bistro für einen Teil des französischen „Lebensstils“. Der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway, der Schriftsteller Boris Vian, der Philosoph Jean-Paul Sartre und Feministin Simone de Beauvoir zählten zu den herausragenden Fans der Kaffeehaus-Kultur an der Seine. 

Die Bistros sind Sinnbild des sozialen Schmelztiegels Paris, ein typisch französischer Schmelztiegel, der seit Jahrhunderten existiert. In diesem offenen Universum voller Kultur und Geselligkeit trifft sich jeder am Tresen, der Arbeiter, der Unternehmer, der Pariser, der Nicht-Pariser. – Jean-Pierre Chedal, Vizepräsident der Initiative

Herkunft bis heute ungeklärt

Übrigens ist bis heute ungeklärt, woher eigentlich der Name „Bistro“ stammt. Einige Forscher argumentieren, nach Napoleons Niederlage 1814 seien russische Kosaken in Paris eingefallen und hätten in den Lokalen laut „Bystro!“ (Schnell) gerufen, da sie den Alkohol aus Angst vor den Offizieren in aller Eile herunterstürzen mussten. Andere führen das Wort auf „bistouille“ zurück, französisch für Kaffee mit Schuss, oder auch auf „bistingo“, einen mundartlichen Ausdruck für ein Kabarett-Lokal.