Tilmann Kleinjung, Redaktionsleiter Religion und Orientierung.
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Kommentar: Aus für queere Ausstellung in Kirche

Dass Rosa von Praunheims (homo)sexuellen Motive in einer Kirche noch mehr provozieren würden als ohnehin schon, war vorhersehbar. Kirche sollte aber nicht provozieren, sondern ihr verkorkstes Verhältnis zu Homosexualität überwinden. Ein Kommentar.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Kirche und Erotik - diese Beziehung ist kompliziert. "Verdammte Lust". Das Diözesanmuseum in Freising hatte gerade eine Ausstellung zu diesem Thema im Programm: Wie sich die kirchliche Kunst mehr als 2.000 Jahre daran abarbeitet, dass eben auch das zum Menschsein gehört: die Liebe, die Erotik, die Sinnlichkeit, der Akt.

Mal wird schamhaft verhüllt, mal wird der menschliche Körper ziemlich freizügig dargestellt. Adam und Eva, der Sündenfall wird zur erotischen Ikone. Da war die kirchliche Kunstzensur selbst im Mittelalter tolerant, steht ja schließlich alles in der Bibel. Eine besondere Karriere absolvierte in dieser Hinsicht der Heilige Sebastian. Sein Martyrium, sein junger, hübscher Körper von Pfeilen durchbohrt, wird in der queeren Community zum Heiligenbild.

"Kunst muss provozieren. Kirche sollte nicht provozieren."

Womit wir in Nürnberg wären, in der Egidienkirche und der Ausstellung "Jesus liebt" mit Bildern des schwulen Künstlers Rosa von Praunheim. Hier wird überhaupt nichts schamhaft verhüllt. Im Gegenteil: Sehr explizit sind die Darstellungen. Manche sagen pornografisch. Zumindest provokant. Der Künstler und die Ausstellungsmacher wollten den "Umgang mit Liebe, Sex und Homosexualität im Christentum" thematisieren.

Dieser Versuch musste nun abgebrochen werden. Zu groß und zu laut waren die Proteste dagegen. Der Kirchenvorstand der Egidienkirche zog die Reißleine und setzte die Ausstellung ab. Und im Nachhinein muss die Frage gestellt werden: Warum wurde diese Ausstellung überhaupt in einer Kirche gezeigt? Kunst muss provozieren. Kirche sollte nicht provozieren. Wenn Kunstwerke mit dem Label "Nur für Erwachsene" in einem Sakralraum gezeigt werden, ist die Provokation Teil des Konzepts. Dass dadurch die religiösen Gefühle von Menschen verletzt werden können, wurde zumindest billigend in Kauf genommen. Der Skandal war offenbar wichtiger als die gewünschte Auseinandersetzung mit queeren Lebensformen.

"Zwischen verklemmt und verklärt": die Kirche und der Sex

Die Diskussion über Homosexualität und Kirche muss natürlich geführt werden. Wenn schon das Verhältnis der Kirche zur Sexualität irgendwo zwischen verklemmt und verklärt angesiedelt werden muss, dann ist das Verhältnis zur Homosexualität richtig verkorkst. Gelebte Homosexualität wurde auch in der evangelischen Kirche lange Zeit verteufelt und als schwere Sünde verurteilt. Erst 2018 konnte sich die Bayerische Landeskirche dazu durchringen, Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare offiziell zuzulassen.

Viele queere Christen fühlen sich in der Kirche bis heute nicht willkommen, nicht akzeptiert, ausgegrenzt. Darüber darf und soll diskutiert und gestritten werden.

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