Matthias Lilienthal hat nicht nur die Theaterszene Münchens aufgemischt, sondern die Debatte mit und in der Stadt gesucht. Es haben sich neue Zusammenarbeiten mit anderen Kulturinstitutionen ergeben, zugleich sind seine Projekte auch unter Kulturschaffenden nicht unumstritten. Allerdings ergibt sich kein einfaches Pro & Contra, erst recht nicht entlang schlichter Oppositionen wie "traditionell" und "progressiv". Was hat Lilienthals Arbeit für Münchens Kultur insgesamt bedeutet? Sagt es etwas über die Stadt, dass sie ihm nur eine Amtszeit gibt? Und wie sieht die freie Szene seine Rolle? Eine Umfrage unter Kunstschaffenden verschiedener Sparten.
Matthias Mühling, Direktor am Lenbachhaus:
"Wir im Lenbachhaus, wir bedauern das natürlich. Für uns, und auch für andere Museen, waren die Kammerspiele in München, ein toller Ansprechpartner und ein interessanter Kooperationspartner, wenn es darum ging, zu zeigen dass diese Künste, die in diesen Institutionen wie Museum, Theater, Oper immer ganz getrennt behandelt worden sind, dass es eigentlich auch eine Möglichkeit gibt, diese Sparten gemeinsam zu betrachten: Das gehört zusammen. Und gleichzeitig, dass man auch an interessanten gleichen Fragestellungen arbeitet. Dass das nicht mehr möglich sein wird mit Herrn Lilienthal nach 2020, das ist und für uns natürlich sehr traurig."
Tanja Graf, Leiterin des Münchner Literaturhauses:
"Er hat erreicht, dass man sich mit dem Thema Theater neu auseinandersetzt, neu befasst, dass man sich auch damit befasst, was für ein Publikum ins Theater kommt. Und dass er bei aller Streitbarkeit wirklich eine große Lebendigkeit, eine Diskussion hervorgebracht hat – ich glaube, dass das wichtig ist für die Stadt. Ich könnte mir vorstellen, dass viele sagen werden: Typisch München, die Münchner sind noch nicht reif für diese Art von anderen Theaterkonzepten. Aber Matthias Lilienthal hätte einfach nochmal mehr Zeit haben müssen, seine Konzepte zu entwickeln und auch das Münchner Publikum damit vertrauter zu machen."
Peter Arun Pfaff, Musiker und Theaterregisseur aus der freien Szene:
"Ich glaube, dass die Idee, dass die Kammerspiele kein Sprechtheater mehr sein sollen und eher das machen, was die freie Szenen in den letzten Jahrzehnten immer gemacht hat, geht so nicht auf. Zu glauben, dass die Kammerspiele eine Institutionen sind, die Theaterprojekte so aufpimpt, dass man sie auf internationale Festivals schicken kann, um dem Ruf Münchens gerecht zu werden, ist, glaube ich, eine falsche Politik, aber nicht nur eine Politik die Matthias Lilienthal betrieben hat. Und wenn das Programm so gewesen wäre, dass es so modern und attraktiv gewesen wäre, dann wären auch mehr junge Leute gekommen. Aber anscheinend war das nicht der Fall."
Till Hoffmann, Vorstand Bellevue di Monaco, Kleinkunst- und Musikveranstalter von der Lach & Schießgesellschaft:
"Man hat ja gewusst, was man sich einkauft mit ihm, und diese Vorschusslorbeeren, die es gab, da wundert es mich jetzt, wo ist das hingegangen, was hat er da nicht eingehalten? Für mich hat er genau erfüllt, wofür er angekündigt war: einen Diskurs, dass man sich auseinandersetzt mit Themen und auch dass er stur geblieben ist, beispielsweise bei den NSU-Geschichten. Man kann sagen, das hat mir gefallen oder hat mir nicht gefallen, das aber so abzuurteilen aufgrund eines 'Publikums-Misserfolges' – ich finde 65 Prozent Auslastung nach wie vor gut."
Julia Viechtl von der Münchner Fachstelle Pop:
"Als er angetreten ist, hat er einen sehr kontrovers diskutierten Ausspruch gemacht, und zwar, dass er jetzt den Pop nach München bringt, und ich glaube, das hat sowohl die Popszene als auch vielleicht die konservative Szene etwas aufschreien lassen. Wir sind ja nicht von gestern hier. Ich glaube, das hat den Start ein bisschen schwierig gemacht. Ich würde aber nicht sagen, dass er deswegen aufhört. Es hat verschiedene Gründe, es ist komplex, es ist sicherlich auch eine politische Diskussion, über die man streiten darf. Aber ich glaube, dieser Einstieg war vielleicht nicht ganz gut gewählt." Julia Viechtl