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Navid Kermanis Reise durch Osteuropa

Navid Kermanis Reise durch Osteuropa

Navid Kermani, der Wanderer zwischen den Kulturen, ist von Köln nach Isfahan gereist, von seiner Heimat zu der seiner Eltern. Sein neues Buch erzählt von den Spuren einer gewaltvollen Geschichte und einer zerrissenen Gegenwart. Von Niels Beintker

Über dieses Thema berichtet: Kulturjournal am .

Es ist der Osten Europas, der im Mittelpunkt von Navid Kermanis Buch "Entlang den Gräben" steht, jener Teil des Kontinents, in dem die Wunden von Kriegen und Konflikten noch immer deutlich spürbar sind. Und der einen Reisenden aus Deutschland immer wieder mit den Grausamkeiten konfrontiert, die Deutsche dort verübt haben. Niels Beintker hat Kermani zum Gespräch getroffen.

Niels Beintker: Erkennt man Europa, das, was Europa bedeutet, anders, wenn man gerade durch das östliche Europa reist?

"Navid Kermani: Ja. Natürlich wird einem die ganze Dimension dieses 20. Jahrhunderts bewusst, gerade für uns, die wir im Westen aufgewachsen sind. Das war ja gerade der Schauplatz des Zweiten Weltkriegs. Das Zentrum war in Weißrussland, in Polen, in Litauen, in der Ukraine. Der Massenmord an den Juden hat dort stattgefunden. Die Vernichtungslager, die unglaublichen Schlachten zwischen der Roten Armee, der Wehrmacht und der SS. Und wenn man durch Weißrussland reist, hat man das Gefühl, das ist ein einziges Kriegsdenkmal, dieses Land. Die ganzen Wunden und Traumata sind noch da. Und dann kommt noch Tschernobyl dazu, was in Weißrussland noch immer nachwirkt, wo gewaltige Gebiete kontaminiert sind, nicht bewohnt sind, wo immer noch die Krebsraten hoch sind."

N.B.: Es ist sicherlich auch etwas Besonderes, als Deutscher durch das östliche Europa zu reisen?

Navid Kermani: "Man wird zum Deutschen. Es ist ja nicht so, dass ich durch Köln laufe und jeden Tag denke: Ich bin deutsch. Aber wenn man in Auschwitz ist und die Plakette auf die Brust bekommt – "deutsch" –, weil man zur deutschen Gruppe gehört, den deutschen Reiseführer hat – oder wenn man eben in Weißrussland bei den Massengräbern ist oder bei den Kriegsdenkmälern und als Deutscher angesprochen wird, dann merkt man, es ist keine Frage des Blutes. Es ist eine Frage der Verantwortung, der Zugehörigkeit zu einer politischen Gemeinschaft, die dieses alles gemacht hat. Ich habe mich nie so deutsch gefühlt wie etwa in Auschwitz und an anderen Orten des deutschen Massenmordes. Da kann man dem nicht mehr ausweichen, zu wem man gehört. Man gehört zu dieser Gemeinschaft, die auch das gemacht hat, selbst, wenn man nicht mehr persönlich verantwortlich gemacht werden kann. Das kann kein Deutscher heute. Ein junger Deutscher ist nicht verantwortlich für Auschwitz, aber er kann dieser Verantwortungsgemeinschaft nicht entfliehen." 

Navid Kermanis Buch "Entlang den Gräben. Eine Reise durch das östliche Europa bis nach Isfahan" ist im Verlag C.H.Beck erschienen.