Und wieder einmal brilliert das Bayerische Staatsorchester in einer Kritiker-Umfrage. Das muss den Musikern erst mal einer nachmachen: Zum vierten Mal hintereinander sind sie „Orchester des Jahres“, und zwar völlig zu recht. Chefdirigent Kirill Petrenko bringt in München selbst erfahrene Opernliebhaber und abgeklärte Experten immer wieder zum Staunen, so penibel, so leidenschaftlich, so originell, wie er alle Partituren erarbeitet.
Romeo Castellucci "Ausstatter des Jahres"
Und noch ein Titel geht (auch) nach München: Der umstrittene italienische Regisseur Romeo Castellucci ist „Bühnenbildner des Jahres“, und zwar auch für seine Inszenierung von Richard Wagners „Tannhäuser“ an der Bayerischen Staatsoper. Nicht gerade leichte Kost, und ziemlich verstörend, denn Castellucci ist sein eigener Ausstatter und liebt Installationen, abstrakte Räume, in denen sich beileibe nicht jeder Zuschauer zurecht findet. Im „Tannhäuser“ irrten die Personen durch einen Irrgarten von rotierenden Gardinen, die halb an eine Autowaschanlage, halb an tanzende Derwische erinnerten.
Semperoper wollte Preisträger Serge Dorny nicht
Auch die Sängerin des Jahres, Anja Harteros wird in München regelmäßig umjubelt: Prämiert wurde sie für ihre Rollenporträts der Maddalena in der Revolutionsoper „Andrea Chénier“ und als Elisabeth im „Tannhäuser“. Opernhaus des Jahres wurde Lyon, zum ersten Mal ging die Auszeichnung somit nach Frankreich. Intendant ist dort Serge Dorny, der wegen einer Kostenexplosion unter Beschuss steht und vergeblich an die Semperoper nach Dresden wechseln wollte. Dort war der Widerstand gegen ihn trotz unterschriebener Verträge zu groß. Weitere Prämierungen gingen an den Stuttgarter Tenor Matthias Klink als „Sänger des Jahres“, an den Dirigenten Hartmut Haenchen für seine sorgsam recherchierten Bayreuther „Parsifal“, sowie an den russischen Regisseur Dmitri Tcherniakov für eine gewagte und ungewöhnliche Sicht auf die beliebte Folklore-Oper „Carmen“ beim sommerlichen Festival in Aix-en-Provence.
Die "Wiederentdeckung des Jahres" gab es in Linz: Paul Hindemiths schwierige Mammut-Oper "Die Harmonie der Welt" über den Astrologen Johannes Kepler gelang dort in einer überzeugenden Großproduktion. Zur besten Uraufführung wurde "Infinite Now" gewählt, ein Werk der israelischen Komponistin Chaya Czernowin über die Verwüstungen des Krieges nach Motiven aus Erich Maria Remarques Roman "Im Westen nichts Neues".
Ärgernis des Jahres: Unfähige Promi-Regisseure
Und es gibt auch „Ärgernisse“ des Jahres: Immer wieder nämlich engagieren Opernchefs völlig unerfahrene, aber prominente Personen etwa von Film und Fernsehen oder aus der Bildenden Kunst als Regisseure, um Schlagzeilen zu machen. Die Ergebnisse waren durchweg wenig überzeugend, ja teilweise indiskutabel. Auch Opernregie ist nämlich ein Handwerk, das mühsam erlernt werden muss.