Schlossgarten Charlottenburg, Blick über das Fontainenbassin zum Schloss
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Schlossgarten Charlottenburg, Blick über das Fontainenbassin zum Schloss

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Preußens koloniales Erbe: Eine Ausstellung in Charlottenburg

Zu dem Riesenreich der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten gehören auch die Möbel, Gemälde und Gebrauchsgegenstände dieser Schlösser. Eine Ausstellung in Schoss Charlottenburg spürt nun dem kolonialen Erbe in diesen Objekte nach.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Stolz hält Otto Friedrich von der Groeben einen Plan hoch. Wenn man sich das Gemälde aber genau anschaut, sieht man, dass ihm ein schwarzer Mensch im dunklen Hintergrund diese Zeichnung über die Schulter reicht. Es handelt sich um den Grundriss der Festung Groß Friedrichsburg an der Küste des heutigen Ghana. Sie war der Stützpunkt der Brandenburgisch-Afrikanischen Compagnie, die der Offizier für Kurfürst Friedrich Wilhelm gründete, um mit Elfenbein, Gold, Gummi, aber auch Menschen zu handeln. Die Kuratorinnen Carolin Alff und Susanne Evers haben den Originalplan von Groß Friedrichsburg ausfindig gemacht. Das Dokument hängt jetzt neben dem Porträt des stolzen Otto Friedrich von der Groeben. "Ein sehr fein gezeichneter Grundriss der Festung, auf dem man sehr viel erkennen kann, was damals eingetragen wurde, unter anderem, was für uns heute wichtig ist, auch den Hinweis, wo und in welcher Größe dort die Räume für Versklavte vorgesehen waren."

Licht auf die Randfiguren

Bis zu 20.000 Menschen hat die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie zwischen 1683 und 1717 verschleppt und verkauft. Die spannende Ausstellung "Schlösser.Preußen.Kolonial" im Berliner Schloss Charlottenburg beginnt vor der eigentlichen Zeit des deutschen Kolonialismus. Die beiden Kuratorinnen haben die Forschungsergebnisse aus allen Sammlungen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zu einem erhellenden Rundgang gebündelt, für den jedes Detail hinterfragt wurde. Die Ausstellung wirft ein Licht auf die Randfiguren im Hintergrund der höfischen Gemälde, auf die Diener beim Tabakrauchen oder die schwarzen Spielgefährten der adeligen Sprösslinge. Weil alle getauft wurden, konnten die Kuratorinnen einige Namen im Taufregister wieder finden. "Manchmal ist dort auch der Beruf genannt, denn nicht alle sind als Diener am Hof gewesen. Manche haben auch als Pfeifer im Regiment gearbeitet. Beziehungsweise einer, den wir kennen, den Johann Francois, der hat sich hochgearbeitet, vom Pfeifer im Regiment zum Musikus und dann sogar zum Tanzmeister. Was eine relativ gute Stellung auch am Hof war. Und er hatte auch ungefähr 7, 8 Kinder. Das heißt er hat es geschafft, sich eine Struktur aufzubauen."

20.000 verschleppte Menschen zwischen 1683 und 1717

Die Ausstellung zeichnet an Hand von vielen Bruchstücken und Puzzleteilen die kolonialen Ambitionen von Friedrich Wilhelm, dem sogenannten Großen Kurfürsten nach. Das geht bis hin zu den bunten Splittern von Glasperlen, die von der Pfaueninsel stammen, einem der beliebtesten Ausflugsziele in Berlin. "Der Kurfürst hat die Pfaueninsel an den Alchemisten Johann Kunckel verschenkt und in der Schenkungsurkunde steht drin, dass die Glasperlen, die dort angefertigt werden für den Kurfürsten zur Verfügung stehen sollten für den Handel mit Groß Friedrichsburg. Und das ist jetzt für uns sehr spannend, weil wir jetzt aus Quellen, die die afrikanische Perspektive wieder geben, wissen, welche Bedeutung Glasperlen in westafrikanischen Ländern haben."

Die Ausstellung "Schlösser. Preußen. Kolonial" entstand im Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft. Die sogenannten "expert partners" steuerten ihre Perspektiven bei. Zum Beispiel auf die Skulpturen der Laternenträger vor dem Neuen Palais in Potsdam, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Zwei von ihnen sind schwarze Menschen. Die beiden Originale lagen zerbrochen im Depot. Eines wurde wieder zusammengesetzt. Das andere sollte in Fragmenten gezeigt werden, eigentlich nichts Ungewöhnliches, sagt die Kuratorin Susanne Evers. "Und da war die große Diskussion, ob man den vom Körper getrennten Kopf dazu legt oder eben nicht. Und da haben wir uns nach vielen Diskussionen mit unseren expert partners dazu entschieden, es nicht zu tun, weil eben doch sehr klare Assoziationen möglich sind zu Verbrechen der formalen Kolonialzeit, als beispielsweise in Südwest-Afrika eben Köpfe abgetrennt wurden und als Trophäen benutzt wurden."

Einen direkten Zusammenhang zwischen den Skulpturen und dem Völkermord an den Herero und Nama gibt es nicht. Aber die kleine Irritation fordert zum Blickwechsel auf. Der Einladung folgt man gern, weil die präzise Ausstellung weitgehend auf den moralischen Zeigefinger verzichtet. Auf diese Weise wird das Bild vielschichtiger und reicher.

Die Ausstellung "Schlösser.Preußen.Kolonial – Biografien und Sammlungen im Fokus" ist bis zum 31. Oktober im Neuen Flügel von Schloss Charlottenburg in Berlin zu sehen. Geöffnet ist dort täglich außer montags von 10 – 17.30 Uhr

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