Filmszene aus "Roma": Kinder liegen auf einer Terrasse unter einer Wäscheleine.
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Filmszene aus "Roma"

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Wie Netflix mit "Roma" dem Kino Konkurrenz macht

Wie Netflix mit "Roma" dem Kino Konkurrenz macht

Netflix sorgt für Ärger im Kino-Geschäft: Denn den Netflix-Film "Roma" gibt es nur eine Woche nach Kinostart als Stream im Netz. Deswegen boykottieren viele Kinos den Film. Kino-Betreiber Matthias Helwig zeigt "Roma" trotzdem – aus mehreren Gründen.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"Roma" läuft ein paar Tage lang in einigen Kinos – klingt komisch, aber genau das ist das Problem: Denn Netflix als Produzent des Films bricht mit einigen branchenüblichen Regeln. Üblicherweise liegen zwischen der Veröffentlichung auf großer Leinwand und der Ausstrahlung auf dem Bildschirm mehrere Monate. Nun gesteht Netflix den Kinobetreibern gerade mal eine Woche Laufzeit zu, bevor "Roma" ab dem kommenden Freitag bereits auf dem Streaming-Portal abrufbar ist. Ein Deal, denn: Der Filmemacher Cuarón will sein Werk auch auf der Leinwand zeigen, Netflix sich mit einem Oscar-Favoriten schmücken, und um zum Oscar überhaupt zugelassen zu werden, muss der Film im Kino anlaufen. Nur: Die Rechnung wurde ohne die Dritten gemacht, die nämlich nicht lachen, sondern zum Boykott aufrufen: Die Kinobetreiber. In Deutschland läuft der Film gerade mal in 38 Kinos an. Matthias Helwig betreibt drei Kinos im Umland von München, die "Breitwand" in Starnberg, Schloss Seefeld und Gauting, und veranstaltet jedes Jahr das Fünf Seen Filmfestival. Barbara Knopf hat ihn gefragt, warum er sich nicht von Netflix bedroht fühlt.

Barbara Knopf: Herr Helwig, Sie haben sich entschieden, "Roma" zu zeigen. Warum?

Matthias Helwig: Das ist vor allem eine persönliche Geschichte: Ich selber sehe mich als Intendant des Kinos oder meiner Kinos, und ich wähle die Filme aus. "Roma" habe ich in Venedig auf den Filmfestspielen gesehen, und es war mir in dem Moment völlig egal, ob der von Netflix ist oder von Warner Brothers oder wem auch immer: Ich habe einen wirklich herausragenden Film gesehen, einfach den besten Film dieses Festivals. Ein Film für die große Leinwand. Danach habe ich gehört, dass er bei Netflix ist. Aber trotzdem bin ich der Meinung, dass es dieser Film, der wirklich nicht für einen Netflix-Bildschirm gemacht ist und der dort auch bestimmt nur ausgeschaltet werden kann, dass dieser Film auf die große Leinwand gehört. Und ich zeige ihn auf der größten Leinwand meiner Kinos, weil ich versuche, das Beste, was es im Kino oder im Fernsehbereich gibt, auch meinem Publikum zu zeigen.

Auf welche Bedingungen haben Sie sich denn nun genau einlassen müssen durch diesen Netflix Deal?

Die Bedingungen waren für mich ganz normal. Es gibt eine Agentur, die den Film bei uns für die Kinos vertreibt. Ich habe die gleichen Bedingungen wie sonst auch zu jedem anderen Film.

Das heißt, dass Netflix nicht den Schraubstock ansetzt und sagt, Sie müssen den Film nach einer Woche wieder draußen haben?

Nein!

Das läuft dann parallel im Kino und auf Netflix – und Sie schauen, wie sie miteinander konkurrieren können?

Wenn der Film in der ARD liefe, würde ich das natürlich nicht machen. Weil jeder in der Bundesrepublik diesen Film dann flächendeckend sehen kann. Ich persönlich gehe immer von mir selber aus, wenn ich mein Kino mache: Ich selber habe kein Netflix, ich kenne sehr, sehr viele Leute, die kein Netflix haben. Und denen müsste ich jetzt einen Film vorenthalten, der wunderbar ist, wie gemacht fürs Kino. Und ich glaube, dass Cuarón ihn auch fürs Kino gemacht hat, vielleicht sogar bewusst, ähnlich wie die Coen-Brüder, in dem Gefühl: Sie nehmen das Geld von Netflix und versuchen darin eine Gegenlösung zu finden.

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Genau komponierte Bilder: Filmszene aus "Roma"

Hat Netflix denn eine große Attraktivität für Filmemacher als Produzent?

Ja, im Moment schon. Ich glaube Netflix bietet diesen Leuten jetzt erst mal Kreativität. Natürlich darf man auch nicht blauäugig sein. Das ist eine ganz schwierige Situation, eine Situation des Umbruchs. Aber auch unsere Branche könnte an diesem Beispiel sehen, wie man es auch anders machen kann: Wir brauchen fünf bis zehn Jahre um einen Film letztendlich irgendwie durch alle Gremien durchzubringen und dann am Ende haben wir endlich alle Kreativität rausgeschliffen.

Sie meinen im deutschen Kino?

Im deutschen Kino, ja. Damit wir einen geförderten Film bekommen, mit dem alle irgendwie zufrieden sind. Aber ich sehe Kino ganz allgemein einfach als Avantgarde, als Premium-Ware des Sehens. Ich erwarte – und ich glaube, da bin ich nicht allein – einfach etwas Originelles, etwas Besonderes. Ich brauche kein Fernsehen im Kino! Fernsehen hat eine ganz andere Bildsprache. Und wenn man den Cuarón-Film "Roma" sieht, erkennt man, dass es eine absolute Kinosprache gibt: Er hat sehr lange Einstellungen, er ist elegisch. Allein schon die Eingangssequenz, wenn das Wasser in einen Gully läuft, einfach eine halbe Minute oder eine Minute lang, während der Titel kommt und man gar nicht weiß, was das zu bedeuten hat. Aber das ist großes Kino. Und man erfährt später auch, warum er diese Einstellung gemacht hat.

Das alles würde man ja auf dem Netflix-Bildschirm zu Hause nicht erkennen. Das ist ja auch Zeichen eines Kulturkampfes, was da stattfindet: Dieses Zu Hause-Schauen mit der Möglichkeit abzubrechen, gegenüber einer cineastischen Qualität im Kino mit 65mm-Film und gestochen scharfen Bildern.

Es gibt ja in vielen Ländern weltweit Netflix, und die Kinozahlen gehen dort nicht zurück. Man muss sich auch schon ein bisschen überlegen, welchen Stellenwert Kino bei uns hat. Ich glaube schon, dass wir in Deutschland Mühe haben mit der wirklich großen Filmkultur. Und dafür muss Kino stehen, dafür will jedenfalls mein Kino stehen. Und deswegen kann ich gerade dann auf so einen Film wie Roma nicht verzichten. Meine Meinung.

Letztendlich muss man aber trotzdem sagen, Sie mussten im letzten Jahr das Breitwand-Kino in Herrsching schließen, das Fünf-Seen-Filmfestival kämpft auch mit einem Defizit, vermutlich, weil die Leute eben nicht mehr ins Kino gehen. Graben Sie sich mit so einer Entscheidung auf lange Sicht nicht doch das Wasser ab?

Das ist die Frage. Ich glaube auf lange Sicht gesehen wird es so kommen. Erst waren es die Serien, die sie überall gesehen haben, dann Netflix, dann Amazon Prime und so weiter. Wenn das Kino bestehen bleiben will, und man sagt, du musst aus der Couch raus und 10 Euro zahlen, dann müssen wir den Kunden etwas bieten. Ich finde, gerade dieser Film hätte sogar die Möglichkeit, einem großen Publikum zu zeigen, worin der Unterschied liegt. Schaut mal: Das ist ein Film, dafür könnt ihr 10 Euro ausgeben, da kriegt ihr einen großen Wert zurück. Schaut euch den Film im Kino an und schaut ihn euch zwei Wochen später auf Netflix an, und dann seht ihr den Unterschied. Ihr seht es!

Gerade ist auch der Hollywood-Schauspieler Tom Cruise an die Öffentlichkeit gegangen, um zu erklären, warum großartige Hollywood-Filme auf dem Bildschirm ganz mies ausschauen, wie eine Soap...

Jeder, der sich in der Branche auskennt, weiß, dass es so ist. Es gibt ganz klare Unterschiede: Szenen, die in Schwarz sind, zeichnen noch auf der Kinoleinwand, das heißt, du siehst da etwas, was du auf dem Fernsehbildschirm überhaupt nicht mehr siehst. Genauso ist es bei weißen Werten, du siehst im Kino wesentlich mehr – und deswegen gehst du ja ins Kino. Diejenigen, die das erfahren haben, gehen dann auch immer wieder, weil sie einfach mehr erleben. Aber dieser wirkliche Unterschied zwischen Kino und Fernsehen wird bei uns viel zu wenig herausgestellt. Bei uns vermischt sich in der Diskussion alles, es werden irgendwelche Serien gehypt, ohne zu sehen, dass es im Kino immer noch das bessere Bild gibt. Ganz einfach.

Die Frage ist ja, ob die Leute noch im Sehen geschult sind.

Da haben Sie auch völlig recht. Man müsste eigentlich viel früher anfangen, auch in den Schulen. Das habe ich immer wieder gefordert. Im Prinzip ist unsere Gesellschaft ja eine, die das Sehen in den Vordergrund stellt. Wir werden von Bildern überflutet, auch die Kinder und Jugendlichen, aber man erklärt nicht, wie man Bilder aufnimmt, wie sie gemacht sind, es wird ihnen einfach hingeworfen. Man weiß selbst im Schulunterricht nicht, wohin es gehört: Gehört es zur Kunst, zum Deutschunterricht oder Sozialkundeunterricht? Man hat ein Medium, mit dem wir alle irgendwie zu tun haben, aber man gibt überhaupt keine Anleitung.

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