Alles sitzt perfekt: Das toupierte Haar, das blitzweiße Lächeln, das Jäckchen über dem Knielangen Rock. Phyllis Schlafly trägt ihre züchtigen Outfits wie eine Rüstung, mit der sie in den Krieg gegen die Unordnung zieht. Sie ist die amerikanische Vorzeigefrau, wie man sie sich in den Nachkriegsjahren vorgestellt hat: studiert, familienorientiert und sehr konservativ. Doch es ist das Jahr 1972 und die Zeiten ändern sich – auch für die sechsfache Mutter Ende 40, die sich in ihrer Freizeit mit Atompolitik beschäftigt. Jeder ihrer Versuche als Kongressabgeordnete für die Republikaner zu kandidieren ist bisher gescheitert. Vermeintliche "Frauen-Themen" wie Familie und Bildung interessieren Phyllis Schlafly (Cate Blanchett) nicht.
Die Wut der weißen Vorstadtfrauen
Bis eine Freundin sie auf eine Entwicklung aus den Großstädten aufmerksam macht. Dort fordern Feministinnen und Politikerinnen, wie Betty Friedan, Shirley Chisholm, Bella Abzug und Gloria Steinem, dass Frauen und Männer in der Verfassung gleichgestellt werden. Schlaflys Freundinnen sorgen sich, dass Frauen wie sie gezwungen werden außerhalb des Heims zu arbeiten – und die Kinder in Betreuung zu geben. Und noch viel schlimmer, wenn Frauen und Männer gleichgestellt sind, so ihre Befürchtung, dann könnten auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten oder Frauen in den Militärdienst berufen werden. Kurz: Die schöne alte Ordnung der Geschlechter steht wankend am moralischen Abgrund und damit auch die Vereinigten Staaten von Amerika selbst.
Phyllis Schlafly sieht endlich ihre Chance gekommen, die Politik ihres Landes zu mitzugestalten - und sich einen Weg in das präsidiale Kabinett zu ebnen: Mit strahlendem Lächeln und einer eng vernetzten Hausfrauen-Armee im Rücken, die Angst um ihr privilegiertes Vorstadtleben haben.
Eine feministische Antifeministin: Phyllis Schlafly
Phyllis Schlafly und ihre Anhängerinnen glauben, dass die Mehrheit der amerikanischen Frauen in Wirklichkeit denkt wie sie. Sie zu mobilisieren wird zu ihrer Bestimmung und, ironischerweise, zu ihrem unbezahlten Vollzeitjob. Mit Flugblättern, Protestmärschen im ganzen Land und Brief-Netzwerken wollen sie das Equal Rights Amendment ERA verhindern, das die Gleichstellung von Mann und Frau ausdrücklich in der Verfassung verankern soll. Zur selben Zeit sind sich die feministischen Aktivistinnen und wenigen Politikerinnen in Washington und New York ihrer Sache sehr sicher: Sie haben in jahrelanger, parteiübergreifender Lobbyarbeit den Senat von ERA überzeugt, und sogar den Präsidenten Richard Nixon. Mit dem Gegenwind der Männer hatten sie gerechnet, nicht aber mit Widerspruch von wohlhabenden, erzkonservativen, weißen Frauen.
Das Equal-Rights-Amendment wurde bis heute nicht verabschiedet – Dank Phyllis Schlafly. Wie die ehrgeizige und durch und durch widersprüchliche Taktikerin die einflussreiche, zweite Welle der feministische Bewegung Anfang der 1970er Jahre ausgebremst hat, das erzählt "Mrs. America".
Viele Grautöne - auch bei der Antiheldin
In den ersten Folgen erweckt die Serie und die makellose, historische Ausstattung zwar den Eindruck, Phyllis Schlafly und ihre Mitstreiterinnen zu verklären, und die Antifeministin zur Heldin zu machen. Aber: der Serie und der Hauptdarstellerin Cate Blanchett gelingt es zu zeigen, wie gefährlich, machtbesessen und doppelzüngig diese konservative Bewegung tatsächlich war und immer noch ist. Aber auch die Überheblichkeit, die vielen internen Streitigkeiten und der unterschwellige Rassismus der Feministinnen werden in der Serie ausführlich thematisiert.
Sie hilft zu verstehen, wieso heute die Familien- und Reproduktionspolitik so heftige Auseinandersetzungen in der US-Politik entfachen und die Parteien wie auch ihre Wählerschaft spalten. Im Jahr einer entscheidenden US-Wahl ist "Mrs. America" Pflichtprogramm auf der Watchlist von politisch interessierten Serienfans.
"Mrs. America" läuft ab dem 01. September dienstags um 21 Uhr im Programm von FOX und ist anschließend on demand abrufbar, z.B. über Magenta oder SkyTicket.
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