Shrinking (AppleTV+) – Therapie für den Therapeuten
Als Psychotherapeut Jimmy Laird nach einer durchzechten Nacht mit einem Mordskater vor seiner Patientin Grace sitzt, reißt ihm der Geduldsfaden. Er stellt Grace – gegen alle therapeutischen Regeln – ein Ultimatum: Entweder du änderst endlich etwas in deinem Leben und verlässt deinen furchtbaren Freund, oder ich kann dich nicht weiter behandeln.
Jimmy steckt seit dem plötzlichen Tod seiner Frau in einer Lebenskrise, er vernachlässigt seine Tochter, seine Freundschaften und sich selbst. Das fällt auch seinem Chef Paul auf – gespielt von einem überraschend witzigen Harrison Ford.
"Shrinking" ist tragikomisch: Jason Segel, bekannt als Marshall Eriksen aus der Sitcom "How I Met Your Mother" spielt den depressiven Psychologen auf Abwegen. Er hat die Serie "Shrinking" gemeinsam mit Bill Lawrence, dem Schöpfer der Fußball-Hitserie "Ted Lasso" geschrieben. Humor und Tonalität der beiden Serien ähneln sich dementsprechend. Beide menscheln, sind oft klebrig-süßes Wohlfühlfernsehen, bei dem man sich eine halbe Stunde lang vor den schweren Themen des Lebens in Sicherheit wähnt – und dann doch von gar nicht so banalen Einsichten über den Tod, Trauer und das Älterwerden kalt erwischt wird. Abrufbar bei AppleTV+.
The Newsreader (Arte Mediathek) – Back to the 80s
"The Newsreader" nimmt uns mit hinter die Kulissen einer australischen Nachrichtensendung im Jahr 1986, als innerhalb weniger Wochen die Challenger Raumfähre abstürzt, ein Anschlag auf die Polizei in Melbourne verübt wird und die Nuklearkatastrophe in Tschernobyl die Welt erschüttert. Mit viel Liebe zum Detail zeigt die Serie, was auch heute die Nachrichtenarbeit bestimmt: Zeitdruck, sorgfältige Recherche und ein Riecher für gute Themen. Die setzen 1986 in der Regel die Männer, was die ehrgeizige Nachrichtensprecherin Helen Norville (Anna Torv, zuletzt zu sehen in "The Last of Us") verzweifeln lässt.
Ähnlich wie die US-amerikanische Serie "The Morning Show" beleuchtet auch "The Newsreader" gelungen den offenen und unterschwelligen Sexismus im Journalismus, der sich auch auf die Berichterstattung auswirkt. Dabei bleibt die Serie aber immer realistisch und verzichtet auf allzu melodramatische Storylines. Zu sehen ist "The Newsreader" in der Arte Mediathek und eine zweite Staffel ist bereits produziert.
Thunder in my Heart (ARD Mediathek) – Wunderbar echt
"Thunder in my Heart" ist eine der viel zu seltenen Coming-of-Age-Serien, in denen junge Menschen ganz normale Körper, ganz normalen Sex und ganz normale Probleme haben. Sigge (Amy Deasismont) ist 22 und gerade von zuhause ausgezogen – doch auf eigenen Beinen zu stehen ist gar nicht so einfach, wenn das Kinderzimmer zuhause noch eingerichtet ist.
Mit ihrer ersten eigenen Serie beweist die schwedische Serienschöpferin und Hauptdarstellerin Amy Deasismont ein besonderes Gespür für authentische Momente aus dem Leben einer jungen Frau auf der Suche nach sich selbst. "Thunder in my Heart" ist witzig, zärtlich und sehr sehenswert – vor allem für Fans von "DRUCK" und "Girls". Ab dem 24.02. in der ARD Mediathek.
Señorita 89 (MagentaTV) – Der Horror des Schönen
Ende der 80er-Jahre schleicht sich eine junge Soziologin bei der Wahl zur Miss Mexico ein. Als Coach soll sie die Teilnehmerinnen in Kultur unterrichten bei einem mehrwöchigen Vorbereitungscamp im mexikanischen Urwald. Doch nach dem Tod einer Teilnehmerinnen wird klar: Hier ist nichts so wie es scheint. Die bildschönen Teilnehmerinnen sind keine Dummchen und die Organisatoren der Miss-Wahl verfolgen finstere Pläne.
Die neue Thriller-Serie des vielfach preisgekrönten chilenischen Regisseurs Pablo Larraín zeigt die hässliche Seite der Schönheitsindustrie und verleiht den oft als oberflächlich abgestempelten Miss-Wahl-Teilnehmerinnen viel Menschlichkeit. Spannend und temporeich erzählt, möchte man am liebsten alle Folgen am Stück anschauen – bis zum überraschenden Ende. Eine zweite Staffel ist in Arbeit.
Extraordinary (Disney+)
Jen ist ein Loser – nicht nur, weil sie ihr Leben nicht im Griff hat. Anders als alle anderen um sie herum hat sie keine Fähigkeit, die sie besonders macht. Weder kann sie beliebige Dinge (und Menschen!) in PDFs umwandeln, noch Tote sprechen lassen oder sich in Tiere verwandeln. Als auch Jens Halbschwester pünktlich zum 18. Geburtstag eine Superkraft entwickelt und plötzlich übermenschlich stark ist, begibt sich Jen auf die Suche nach ihrer eigenen Stärke – und muss dabei feststellen, dass eine Superkraft auch nicht die Lösung aller Probleme ist.
In ihrer Debütserie "Extraordinary" führt Showrunnerin Emma Moran das Konzept der Superheldenstory ins Absurde – und bedient sich dafür oft sehr drastischer und derber Komik. Im von Superhelden und Heldinnen dominierten Angebot von Disney+ ist "Extraordinary" eine willkommene Abwechslung – gerade für die, die kostümierten Weltenretter eh nicht so richtig ernst nehmen können.
Alle zwei Wochen stellen die Hosts Katja Engelhardt und Vanessa Schneider im BR Serien-Podcast "Skip Intro" neue Serien vor, sprechen mit Serienschaffenden und Expertinnen und teilen Tipps von ihrer Watchlist. Abonnieren Sie den Podcast hier.
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