MovieJam - das klingt so, als hätten sich die sechs Jungfilmer vorgenommen, mächtig Content rausballern: einen Clip nach dem anderen, bis es zum „Filmstau“, sprich zum MovieJam kommt. Sicher ein probater Businessplan für kosmetikaffine Youtubestars und solche, die es werden wollen. Und dennoch: das genaue Gegenteil von dem, was Alexander Spöri im Sinn hat: „Ich denke, man kann das auch umdrehen, Stau muss ja nicht entstehen, weil wir so viel raushauen, sondern es kann ja auch entstehen, weil wir uns für manche Sachen eben viel Zeit lassen.“
Langstrecke
Spöri ist noch keine Achtzehn, aber schon Filmproduzent und Gründervater der MovieJam Studios. Ansässig im Keller eines Mehrfamilienhauses in Taufkirchen vor den Toren Münchens: ein Raum, nicht viel größer als eine Besenkammer, in dem die Kerncrew – sechs Jungs, alle in Spöris Alter – ihre allwöchentlichen „Redaktionskonferenzen“ abhält. Will heißen: Filmprojekte ersinnt, diskutiert und plant: „Natürlich sind wir noch alle auf dem Gymnasium, machen gerade Abitur. Aber wenn es manchmal ein größeres Thema ist, wo wir auch mehr Arbeit aufwenden müssen, dann treffen wir uns auch zwei bis dreimal die Woche – wir fangen dann nach der Schule an plötzlich zu arbeiten und dann geht das bis spät in die Nacht hinein.“
Langformen
Dass Jugendliche die Kamera in die Hand nehmen – nicht selten Auge in Auge mit der Linse –, ungewöhnlich ist das natürlich schon lange nicht mehr. Ungewöhnlich ist jedoch das Format, das Spöri und Co. bedienen: nämlich die journalistische Langstrecke: „Wir haben schon eher Langform-Dokumentarfilme, für die wir auch lange recherchieren, intensiv mit Leuten reden und eher tiefer in die Materie gehen.“ So erzählt es Luca Zug, der Regisseur der insgesamt drei halb bis einstündigen Dokus die MovieJam bisher produziert hat. Sämtlich Collagen aus dokumentarischen und Spielszenen: Infotainment also. Immer getragen, von einem nicht nur aufklärerischen, sondern auch engagierten Impetus – der zweite Film nimmt etwa das bayerische Bildungssystem ins Visier. „Wir wollen dann auch wirklich was bewirken,“ sagt Alexander Spöri. „Wir wollen was Gesellschaftliches machen. Wir wollen vor allem was machen, was nicht der 50jährige Filmemacher machen kann, sondern wir wollen auf die Jugend schauen, weil das der Punkt ist, den wir vor allem an die Menschen heranbringen können.“
Langzeitwirkung
Das jüngste Werk der MovieJam Studios ist den Opfern des Attentats am Olympiaeinkaufstzentrum vor eineinhalb Jahren gewidmet. Damals so alt, wie die Macher selbst. Und, nach Lucas Zugs dafürhalten, von den Medien zu wenig beachtet: „Das ist die Basis unseres Films: dass wir sagen, dass Medienvertreter sich vor allem in den Wochen danach, aber auch generell eigentlich nur mit Tätern – und nicht tatsächlich mit den Leidtragenden, mit den Opfern, mit den Angehörigen beschäftigen.“ Eben denen widmet sich der Film Unvergessen. Ganz offensichtlich eine Würdigung, darin deutlich unterschieden vom investigativen Vorgängerfilm über das bayerische Schulsystem. Aber filmisch ähnlich umgesetzt, in einer Mischung aus Interviewsequenzen mit den Angehörigen und Spielszenen, die die Toten wiederaufleben lassen. Ästhetisch ein wenig im Fahrwasser von Guido Knopp. Die sechs MovieJamer wollen das jedoch keinesfalls als Kniefall vor dem Fernsehhistoriker verstanden wissen, sehen im Einsatz von Spielszenen vielmehr eine Möglichkeit zu experimentieren, mit der Wirkung verschiedener filmischer Mittel zu spielen. Ob diese Spielfreude am Ende noch in einen Spielfilm mündet – wer weiß, die MovieJam Studios sind noch jung.