"Salvator Mundi" wird im Jahr 1958 bei Sotheby's in London für gerade mal 45 Britische Pfund an einen privaten Bieter versteigert. Doch nach vielfältigen Besitzerwechseln und Restaurationen steigt der Preis des Gemäldes über die Jahre rasant an. Denn es kommen immer mehr Merkmale zutage, die darauf hindeuten, dass das Gemälde um das Jahr 1500 in der Werkstatt von Leonardo da Vinci entstanden sein muss.
Der vorläufige Höhepunkt für "Salvator Mundi" ist London 2011: Der Kunsthistoriker Martin Kemp hält das Werk für einen echten da Vinci. Er gilt in Fachkreisen als Leonardo-Koryphäe – auch wenn hinsichtlich "Salvator Mundi" seine Meinung nicht von vielen Experten geteilt wird. Im Streit um die Frage, ob Leonardo da Vinci der Maler der Bildes ist oder nicht, widerspricht ihm auch 2021 noch eine spanische Kunsthistorikerin.
Die Versteigerung am 15. November 2017 in New York
Dann die Auktion am 15. November 2017 in New York: Es sind wohl drei Bieter, die anonym um das Gemälde streiten, knapp 20 Minuten lang per Telefon. Das Gefecht endet mit einem Paukenschlag für die Kunstwelt: Für insgesamt fast 450 Millionen US-Dollar, inklusive Gebühren, wechselt das Werk seinen Eigentümer. Beim überlegenen Bieter handelt sich offenbar um den saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der das Gemälde von einem Mittelsmann bezahlen lässt. Salman will es angeblich als Leihgabe in der Dependance des Louvre in Abu Dhabi ausstellen lassen. Doch bis heute hängt es nicht dort. Stattdessen wird es auf der Privatyacht von bin Salman vermutet.
Was sagt "Salvator Mundi" über den Kunstmarkt aus?
Längst vorbei die Zeiten, als man etwa auf der Art Basel Menschen mit Geldkoffern sehen konnte. Transaktionen laufen heute viel diskreter ab. Doch wo landen all die klandestin veräußerten Gemälde, wenn nicht auf privaten Yachten oder in Villen – und wenn sie auch nicht in Museen oder auf Messen zu sehen sind? Nicht nur reiche Kunstsammler und -sammlerinnen, auch die großen Auktionshäuser wie Sotheby’s und Christie's nutzen gerne sogenannte Zollfreilager. Eines davon steht in Genf. Auch "Salvator Mundi" wird hier eine Zeit lang eingelagert. Diskretion wird groß geschrieben. Erstellt eine Kunsthistorikerin oder ein Kunsthistoriker ein Gutachten, dann betritt er oder sie Räume, die lediglich mit Nummern, nicht mit Namen versehen sind, unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen.
Das Zollfreilager funktioniert wie eine Börse
"Kunstwerke sind Waren. Das Zollfreilager funktioniert wie eine Börse, wo diese Waren gelagert und gehandelt werden. Ständig gibt es dort Transaktionen, ohne dass die Kunstwerke das Lager physisch verlassen, nur deren Besitzer wechseln. Es herrscht völlige Verschwiegenheit über die Vorgänge in dem Zollfreilager." – Tetiana B., Anwältin des russisch-zypriotischen Kunstsammlers Dmitri Rybolovlev
Geschichte eines Werks bestimmt den Preis mit
So wie bei vielen Kunstwerken, spielt sich die Geschichte von "Salvator Mundi" gerade im Verborgenen ab. Sein Wert für die Gesellschaft ist momentan verloren, weil niemand das Gemälde zu Gesicht bekommt. Die Story eines Kunstwerks ist allerdings auch ein wesentlicher Faktor für den Wert, den es auf Auktionen erringen kann. Das sagen nicht nur Kunstkenner, sondern auch Anwälte, die im Namen ihrer Klientinnen und Klienten auf Auktionen bieten.
Warum wurde das Gemälde so teuer gehandelt, auch wenn es vielleicht gar nicht von Da Vinci stammt?
Darüber, warum Gemälde auch dann zu horrenden Preisen gehandelt werden, wenn ihre Provenienz unklar ist, lässt sich nur spekulieren. Einen Hinweis dazu gibt der Kunstmarktexperte Tobias Timm. In seinem Buch "Falsche Bilder, Echtes Geld" hat er sich unter anderem mit dem Erfolg des Fälschers Wolfgang Beltracchi beschäftigt, der selbst gemalte Bilder als verschollene Kunstwerke großer Maler der Moderne ausgegeben und für Millionensummen veräußert hat.
Ob die Provenienz geklärt ist oder nicht, grundsätzlich erklären sich für Timm die Preise auf dem Kunstmarkt so: "Es ist natürlich ein Akt, mit dem man sich sehr viel symbolisches Kapital unter Gleichgesinnten machen kann, wenn man für einen Gegenstand, der für andere wie Müll aussieht, Millionen ausgibt und sich so durch diesen Exzess herausstellt und abgrenzt.“
Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!