Sitzt Deutschland mit seiner B2B-Wirtschaft (business to business) vielleicht völlig auf dem falschen Dampfer? - so eine der zentralen Fragen auf dem Forum des Münchner Kreises. Die Angst: Wenn hiesige Firmen keinen Draht mehr zu den Klienten haben, werden sie zu reinen Zulieferern für die großen Digitalkonzerne insbesondere aus den USA, die eben diesen Zugang besitzen und vermarkten.
Festgeklemmt in der Maschinenbauzeit
Manfred Broy, Chef des Zentrums Digitalisierung Bayern glaubt, dass sich unsere Wirtschaft deshalb so schwer tut mit dem amerikanischen B2C-Ansatz (business to consumer), weil Deutschland sehr stark durch die Tradition des Maschinenbaus geprägt ist. Man fragt sich in den Unternehmen nicht, was sich verkaufen lässt und was einen Mehrwert für den Kunden bringt, sondern, was man entwickeln kann, also was technisch noch geht. Womöglich könnte sich das in Zukunft aber auch als Stärke erweisen. Mit ihrem Spezialwissen besitzen gerade Mittelständler in Deutschland einzigartige Qualifikationen und Kenntnisse, die nicht so leicht nachgeahmt werden können, so die Hoffnung. Manfred Broy betont allerdings, dass deutsche Manager noch viel mehr begreifen müssen in Algorithmen zu denken.
Umbrüche werden verschlafen
Viele Möglichkeiten werden hierzulande in den Führungsetagen demnach einfach noch nicht verstanden. Umbrüche, in der Branche gerne als Disruption bezeichnet, werden verschlafen. Das liegt natürlich auch daran, dass Unternehmen ungern an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen. Wie Disruption dabei verpasstwird, erklärte Telekom-Vorstand Claudia Nemet in München am Beispiel der SMS. Man hätte vielleicht erkennen können, welches Potenzial in einer neuen Technik, wie sie WhatsApp bot, steckte; aber man wollte es nicht, denn dann hätte man sich der Verdienstmöglichkeiten durch die SMS beraubt.
Alle Fäden in einer Hand
"Wir müssen sehr viel mehr verstehen was eine Plattformökonomie bedeutet. Gieseke und Devrient versucht das. Die Autoindustrie sollte das versuchen. Aber dafür muss man nerst verstehen was Plattformökonomie bedeutet, welche Kompetenzen man braucht. Und das stellt für etablierte Unternehmen noch einen weiter Weg dar." Manfred Broy, Zentrum Digitalisierung Bayern
Unter Plattformökonomie versteht man Märkte, in denen ein Unternehmen alle Fäden in der Hand hält. Bestes Beispiel ist Google, das seine Nutzer über die Suchmaschine gleich an den Karten- und Navigationsdienst und die eigenen Online-Shops weiterleitet. Michael Dowling, Geschäftsführer des Münchner Kreises, erklärte, dass die US-Internetkonzerne eben auch deshalb so erfolgreich seien, weil sie diese Netzwerkeffekte erkannten und ausnutzten.
Neue digitale Möglichkeiten
In vielen Bereichen sei es nun zu spät, eigene Plattformen aufzubauen. Dowling fordert die deutsche Wirtschaft aber auf, nach neuen Netzwerkeffekten zu suchen, auch wenn noch offen ist, welche das sein könnten. Die Zeit scheint indes günstig für einen deutschen Neustart in Richtung digitaler Wirtschaft. Die nächsten großen Technologieschritte stehen an, etwa bei den Themen künstliche Intelligenz, Internet der Dinge oder Blockchain. Wenn Politiker und Unternehmer hier mit Elan und vor allem mit Geld in die Offensive gehen, so die Überzeugung auf dem Münchner Kreis, dann könnte Deutschland auch wieder Weltmarktführer werden.