Gute Laune, Party-Stimmung, Fans, die zu leicht schrägen Saxophon-Tönen tanzten, deutsche Last-Minute-Treffer und strahlender Sonnenschein bei Mittelmeer-Temperaturen: Diese Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland hatte viele Zutaten, um zu einem Sommermärchen 2.0 zu werden. Wie damals bei der WM im Sommer von 2006, in dem nicht nur die Nationalmannschaft, trainiert von Jürgen Klinsmann, die Nation verzückte, sondern auch das Turnier, die Gäste und die Stimmung im Land eine unvergessliche Gemengelage erzeugten.
Deutsch-Schottische Fanfreundschaft und Leberkas-Liebe
Auch bei dieser EM gab es jede Menge gute Laune: Public Viewing, orange Fanparaden mit "nach links" und "nach rechts" hüpfenden Menschen, dänische Fans voller Liebe für Leberkäse, 50.000 Rumänen, die die Münchner-Arena in Gelb tauchten, eine neu aufkeimende Fan-Freundschaft zwischen Deutschland und Schottland – alles untermalt vom Fan-Soundtrack "völlig losgelöst". Es steht außer Frage: Spaß hat diese EM auf jeden Fall gemacht.
Doch es gab auch die andere Seite: Massenschlägereien im Umfeld von EM-Spielen, an denen immer wieder englische und serbische Hooligan-Gruppierungen beteiligt waren, rechtsextreme Plakate in Stadion und der "Wolfs-Gruß" des türkischen Doppeltorschützen Merih Demiral im EM-Achtelfinale gegen Österreich, sintflutartige Regenfälle, die zu Spielverzögerungen und Unterbrechungen führten - und natürlich das frühe Aus der deutschen Nationalmannschaft im Viertelfinale, das die EM-Euphorie auf Deutschlands Straßen, in Wohnzimmern und Fanmeilen merklich drückte.
EM: Zwischen Zauberfußball und Safety-First
Und auch sportlich bot dieses Turnier Licht und Schatten. Besonders in der Gruppenphase lieferten sich die Mannschaften mitreißende Partien: Schon das Eröffnungsspiel war ein echter Knaller: Das 5:1 des DFB über Schottland war der perfekte Beginn, um die deutschen Fans hinter dem Team zu vereinen. Doch auch das überraschende 3:0 Rumäniens über die Ukraine, die Machtdemonstration der Spanier gegen Kroatien und Italien, tapfer kämpfender Albaner oder das 3:2 gegen die Niederlande, das Österreich den Gruppensieg sicherte - an packenden Begegnungen mangelte es dem Turnier wahrlich nicht.
Doch je näher die K.o.-Spiele rückten, desto mehr dominierte abwartender Fußball mit dem Fokus auf Defensive. Besonders die Niederlande, England und Frankreich fokussierten sich – trotz hervorragenden Offensiv-Spielern im Kader - vor allen Dingen auf wenig ansehnlichen Sicherheits-Fußball. So hatte beispielsweise Frankreich mit Weltstars wie Kylian Mbappé, Ousmane Dembélé, Kingsley Coman und Eduardo Camavinga es vollbracht, trotz Halbfinal-Teilnahme im gesamten Turnier nur ein Tor aus dem Spiel heraus zu erzielen.
Spanien gegen England: Finale zwischen zwei Fußball-Welten
Deutschland und Spanien waren der Gegenentwurf zu diesem Sicherheits-Fußball. Die zwei wohl unterhaltsamsten Mannschaften bei der EM trafen schon im Viertelfinale aufeinander – bekanntermaßen mit dem besseren Ausgang für das Team von Luis de la Fuente. Und so wurde das Finale zwischen England und Spanien schließlich auch zum Duell zwischen Safety First und dem andauernden Drängen, Torchancen zu kreieren. Wobei in der ersten Hälfte des Finales beide Seiten auf Sicherheit aus waren. Erst in der zweiten Halbzeit – nach einem frühen Treffer von Nico Willams nach Wiederanpfiff – nahm das Spiel an Fahrt auf. Am Ende siegte der kreativere Fußball Spaniens (2:1).
EM in Deutschland: Der positive Eindruck überwiegt
Nach einem Monat-EM-Ausnahmezustand ist das Turnier beendet. Das DFB-Team hat Lust auf mehr gemacht – und diese Heim-EM 2024 wird, trotz kleiner "Abers", in sehr guter Erinnerung bleiben. Perfekt war dieses Turnier freilich nicht – das wurde die WM 2006 auch nur durch den etwas verklärten Blick in die Vergangenheit. Und so wird es sich wohl auch mit etwas Abstand erst zeigen, ob die EM 2024 den Stempel Sommermärchen 2.0 bekommt.
Wer allerdings vor anderthalb Jahren gesagt hätte, dass die deutsche Nationalmannschaft, die damals tief in der Krise steckte, so viel Begeisterung und unverkrampfte Euphorie auslösen würde, der wäre auf jeden Fall als Märchenerzähler betitelt worden.
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