Frau hält Dialekt-Wörterbücher in der Hand
Bildrechte: picture-alliance/dpa
Bildbeitrag

Bulette statt Klößchen: Viele lokale Begriffe sterben aus

Bildbeitrag
> Wissen >

Bulette statt Klößchen: Viele lokale Begriffe sterben aus

Bulette statt Klößchen: Viele lokale Begriffe sterben aus

Lokale Begriffe machen die Sprache bunt und vielfältig. Aber gerade da vollzieht sich ein Wandel. Sie verschwinden immer mehr zugunsten weiter verbreiteter Varianten, so das Ergebnis einer Studie.

Müssen wir bald auf das ostdeutsche "Klößchen" für einen kleinen "Kloß" gebratenen Hackfleischs verzichten? Die Studie einiger Forscher der Universitäten Bern, Zürich und Salzburg legt diese Befürchtung nah. Danach gehen sehr lokale Bezeichnungen für bestimmte Dinge immer mehr verloren und werden durch regional weiter verbreitete Begriffe ersetzt.

Klößchen, Bulette, Kloß, Laiberl, Fleischpflanzerl ...

Die ostdeutschen Begriffe Beefsteak, Klößchen oder Kloß für ein Stück angebratenes Hackfleisch zum Beispiel sind nicht mehr so verbreitet wie früher. Sie werden in Ostdeutschland durch den Klops und die Bulette verdrängt. Im Westen von Deutschland gibt es dagegen wenig Veränderung, weil neben dem Begriff Frikadelle lokale Wörter keine größere Rolle spielen. Gleiches gilt für Fleischküchle in Baden-Württemberg, Fleischpflanzerl in Teilen Bayerns und Laiberl beziehungsweise Faschierte Laibchen in Österreich.

Warum gehen lokale Begriffe verloren?

Man muss schon wissen, was sich hinter einem "Klößchen" verbirgt, wenn man mitreden oder im Restaurant etwas bestellen will. Das ist auch einer der Gründe für den Wandel der Sprache, so Adrian Lehmann von der Universität Bern: Die Menschen sind viel mobiler geworden, wollen sich überall verständigen können und verstanden werden. Deshalb passe man sich in der Sprache an, verzichte auf lokale Dialekte oder schränke sie ein. Hochdeutsch sei unmissverständlich. Das habe nicht nur eine praktische Seite, sondern auch eine soziale Komponente, denn Hochdeutsch sei zudem mit mehr Prestige verbunden.

Ausnahmeländer: Bayern und Schleswig-Holstein

Die Bayern legen auf Prestige offensichtlich weniger Wert oder mehr Wert auf Tradition, denn hier habe der Dialekt, so Lehmann, einen höheren Stellenwert. Die Sprache verändere sich in Bayern nicht so schnell wie in anderen Gebieten Deutschlands. Auch in Schleswig-Holstein seien die sprachlichen Veränderungen verhältnismäßig gering.

Im Osten viel Neues: "Schluckauf" statt "der Schlucken"

In Ostdeutschland sieht das anders aus: Hier fallen für einige Begriffe klare Verschiebungen auf. Lokal typische Begrifflichkeiten werden zugunsten der weiter verbreiteten Varianten ausgetauscht. "Der Schlucken" zum Beispiel wird im Osten vielerorts bereits durch "Schluckauf" ersetzt, so ein Ergebnis der Studie.

"Viertel elf" oder "Viertel nach elf"?

"Viertel elf" - womöglich hat diese Zeitangabe schon viele Verabredungen platzen lassen - je nachdem, aus welcher Region man stammt. Dass "Viertel elf" für die Uhrzeit 10:15 Uhr steht, ist für manche nicht zu entschlüsseln. Im Vergleich zu den 1970er Jahren hat diese Formulierung daher auch etwas an Boden verloren. Das unmissverständlichere "Viertel nach zehn" macht mancherorts inzwischen das Rennen und breitet sich leicht vom Westen nach Osten aus. In Teilen Frankens und Baden-Württembergs nimmt "Viertel elf" aber immer noch die Poleposition ein.

Vom Pöhlen, Bolzen, Kicken oder Bäbbeln

Auch bei Begriffen für "Fußball spielen" geht die Vielfalt verloren. Jürgen Klopp hatte als Trainer von Borussia Dortmund zwar immer wieder eine "Pöhler"-Kappe getragen, hat aber nicht dazu beitragen können, dass das ursprünglich in Westfalen bekannte Wort "pöhlen" weiter verwendet wird. Auch das sächsische "bäbbeln" steht auf der Liste der aussterbenden Wörter. Durchgesetzt haben sich die Begriffe "bolzen" und eben "Fußball spielen". In Baden-Württemberg und Österreich wird zudem "kicken" verwendet.

Andere Länder, gleiche Ergebnisse

In anderen Ländern - wie zum Beispiel England, den Niederlanden oder Frankreich - lässt sich das gleiche Phänomen beobachten, so Lehmann. Auch hier gibt es einen erkennbaren Wandel weg von lokalen hin zu eher regionalen Wortvarianten. Grammatikalische Besonderheiten, etwa die genaue Position eines Wortes im gesprochenen Satz, seien dabei meist stabiler als die Verwendung bestimmter Wörter.

Online-Quiz: Basis der Studie

Die Forscher haben die Ergebnisse ihrer Studie im Fachmagazin "PLOS One" veröffentlicht. Sie haben die nötigen Daten durch ein Quiz erhoben. An diesem Quiz, das zwei Medien online gestellt hatten, nahmen 770.000 Nutzer teil, die danach auch ihre Metadaten zur Verfügung stellten. Sie wurden nach ihren Ausdrücken für insgesamt 24 Begriffe befragt. Anhand dieser Daten konnten die Wissenschaftler eine Landkarte erstellen, auf der man die Verbreitung der Dialekt-Wörter nachvollziehen kann. Danach wurden die Ergebnisse mit einer früheren Studie aus den 1970er Jahren verglichen.