Gesetzliche Krankenkassen sollen nicht mehr für homöopathische Arzneimittel zahlen. So hatte es Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in seinem Gesetzentwurf zur Entlastung von Arztpraxen vorgesehen. "Leistungen, die keinen medizinisch belegbaren Nutzen haben, dürfen nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden", hieß es in dem damaligen Empfehlungspapier. Damit waren homöopathische und anthroposophische Leistungen gemeint, die die Krankenkassen nicht mehr erstatten sollten. Nun ist dieser umstrittene Passus aus dem Gesetzentwurf ersatzlos gestrichen. Ob auf Dauer, darüber soll der Bundestag entscheiden.
Wirkung homöopathischer Mittel nicht bewiesen
Die Aussage "Homöopathie wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus" ist riskant. Der Hersteller homöopathischer Präparate Hevert forderte 2019 von der Ärztin und Homöopathie-Kritikerin Natalie Grams mit einer Unterlassungserklärung, dies öffentlich nicht mehr zu behaupten. Grams unterzeichnete dieses Schreiben aber nicht und verwies auf den Stand der Wissenschaft.
Die Basis für homöopathische Arzneimittel sind pflanzliche, mineralische oder tierische Substanzen, darunter auch Blei, Quecksilber, Rinderzahnfleisch oder geraspelte Honigbienen. Diese werden zum Beispiel in Form von Kügelchen (Globuli) verabreicht. Nach der Lehre von Homöopathie-Begründer Samuel Hahnemann (1755–1843) aktivieren Stoffe, die ähnliche Symptome wie die Erkrankung auslösen, hochverdünnt die Selbstheilungskräfte des Körpers. Einen Nachweis für eine pharmakologische Wirksamkeit homöopathischer Arzneien gibt es allerdings nicht, ebenso wenig wie eine wissenschaftliche Begründung, auf welche Weise diese wirken sollen.
Die meisten Homöopathie-Studien sind von schlechter Qualität
Ob Homöopathie eine Wirkung hat, wird schon lange und immer wieder untersucht. 1997 zum Beispiel erschien in der Fachzeitschrift "Lancet" eine Metastudie des Münchner Mediziners Klaus Linde, der gemeinsam mit Kollegen die Ergebnisse weit über hundert vorangegangene Studien untersuchte. Ihr Fazit lautete: In den Studien gab es keine ausreichenden Belege, dass Homöopathie bei irgendeiner spezifischen Erkrankung wirksam sei. Bei der gemeinsamen Betrachtung der Daten aus mehreren Studien stießen sie zwar auf positive Effekte. Allerdings waren nach Ansicht der Autoren die meisten Studien nicht von ausreichend guter Qualität. Zudem vermuteten sie, dass Studien, die keine oder eine schlechtere Wirkung von homöopathischen Mitteln zeigten, nicht veröffentlicht wurden. Das Forscher-Team untersuchte die Daten der Meta-Analyse von 1997 später für eine weitere Studie erneut und stellte darin fest: Qualitativ hochwertigere Studien zur Homöopathie kamen tendenziell zu dem Ergebnis, dass Homöopathie unwirksam ist.
2017 wurde der Fachzeitschrift "Systematic Reviews" eine andere Metastudie veröffentlicht. Sie legte besonderen Wert auf sogenannte Doppelblindstudien, die als sehr aussagekräftig und zuverlässig gelten. Bei diesen wissen weder Arzt noch die Patienten, bei wem der Wirkstoff zum Einsatz kommt und bei wem nicht. Auch bei dieser Auswertung bemängelten die Autoren die Qualität der Studien: Nur bei drei von 75 hatten sie nicht den Verdacht, die Forscher könnten die Daten (möglicherweise unbewusst) in ihrem Interesse interpretiert haben. Die drei als zuverlässig erachteten Studien zeigten keinen Effekt für nicht-individualisierte Homöopathie. Bei der individualisierten Homöopathie war ein geringer Effekt zu erkennen. Für eine qualifizierte Aussage dazu war nach Ansicht der Autoren die Datenmenge aber zu klein.
Zweifel an Verlässlichkeit und Seriosität der homöopathischen Forschung
Eine dritte Metastudie aus dem Jahr 2022 von Gerald Gartlehner von der österreichischen Donau-Universität Krems und seine Kollegen zog die Verlässlichkeit und Seriosität der homöopathischen Forschung insgesamt in Zweifel. In diesem Bereich werde besonders häufig gegen die Leitlinien wissenschaftlicher Praxis verstoßen, urteilen die Studienautoren.
Nach den gängigen Leitlinien müssen Studien vorab in offiziellen Datenbanken registriert werden. Die Registrierung soll verhindern, dass Fragestellung und Zielpunkte einer Studie nachträglich verändert und so an die Ergebnisse angepasst werden. Über die Hälfte der in Fachjournalen publizierten Homöopathie-Veröffentlichungen waren jedoch nicht registriert worden. Bei mehr als einem Drittel der in den letzten 20 Jahren registrierten Homöopathie-Studien wurden hingegen die Ergebnisse nie veröffentlicht. "Dies legt nahe, dass die Veröffentlichung oft von den Ergebnissen abhängig gemacht wurde", schreiben Gartlehner und sein Team.
Homöopathie-Studie im Auftrag des Bayerischen Landtags
Doch auch wenn überzeugenden Belege für eine Wirksamkeit der Homöopathie über den Placebo-Effekt hinaus fehlen, es wird weiter geforscht. 2019 genehmigte der Bayerische Landtag mit den Stimmen der Fraktionen von CSU und Freien Wählern einen Antrag für eine klinische Studie mit der Frage, ob durch Homöopathie der Einsatz von Antibiotika reduziert werden kann. Seit 2023 wird am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität untersucht, wie "individualisierte Homöopathie zur Verringerung des Antibiotika-Einsatzes bei Frauen mit wiederkehrenden unkomplizierten Harnwegsinfektionen" beitragen kann. Erste Ergebnisse soll es voraussichtlich Ende Juli 2024 geben.
Für die Zulassung homöopathischer Mittel spielen Studien übrigens keine Rolle. Die meisten Mittel müssen nur registriert werden und dafür keinen Nachweis der Wirksamkeit erbringen. Bei Homöopathika, die gegen eine bestimmte Erkrankung wie Schnupfen helfen sollen, reicht eine Literatur-Übersicht zu dem Medikament und eine Monografie. In diesem Beipackzettel steht, ob es Wechsel- oder Nebenwirkungen gibt oder wie das Mittel dosiert werden soll. Bei Mitteln gegen schwere Krankheiten muss jedoch für die Zulassung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Wirksamkeit mit einer wissenschaftlichen Studie belegt werden. Bisher wurde in Deutschland noch kein homöopathisches Mittel zugelassen, bei dem sich der Antragssteller auf eine Studie berufen hat.
Homöopathen urteilen über die Wirksamkeit von homöopathischen Arzneimitteln
"Jedes andere Arzneimittel in Deutschland muss wissenschaftlichen Standards genügen, muss Studien zur Wirksamkeit vorlegen, um als Arzneimittel zu gelten", sagt der HNO-Arzt und Homöopathie-Kritiker Christian Lübbers im Gespräch mit dem BR. "Es gibt aber Ausnahmen, zusammengefasst in den sogenannten 'Besonderen Therapierichtungen'. Diese Ausnahmen für die Homöopathie und zum Beispiel auch für die Anthroposophie besagen über den sogenannten Binnenkonsens, dass Homöopathen über die Wirksamkeit von homöopathischen Arzneimitteln urteilen." Er freut sich daher sehr über Vorstoß, die Kassenerstattung der Homöopathie zu streichen.
Auch Nathalie Grams begrüßt die ursprünglichen Pläne von Gesundheitsminister Lauterbach: "Es ist einfach unfair, dass die Kassen für wirkungslose Zuckerkügelchen Geld der Versichertengemeinschaft ausgeben dürfen, das uns an anderer Stelle für wirklich gute Medizin fehlt."
Im Video: Homöopathie – Heilmittel oder wirksam durch Placebo-Effekt?
Dieser Artikel ist erstmals am 14. Januar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
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