Manchmal müssen Wissenschaftler ungewöhnliche Wege gehen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. So auch Trevor Wardill von der University of Minnesota in St. Paul, USA, und sein Team. Er wollte herausfinden, wie Tintenfische Bilder im Gehirn verarbeiten. Dafür setzte er den Tieren 3D-Brillen auf und schickte sie auf Beutefang - und fand Erstaunliches heraus: Tintenfische können dreidimensional und mit Tiefenschärfe sehen. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt in der Fachzeitschrift "Science Advances" veröffentlicht.
Der Versuchsaufbau: Elf Tintenfische mit 3D-Brillen
Für ihre Forschung statteten die Wissenschaftler elf erwachsene Tiere der Art Sepia officinalis mit 3D-Brillen aus - freilich musste das Tragen der farbigen Brillen zuvor trainiert werden. Anschließend zeigten sie ihnen auf einem Bildschirm zwei perspektivisch leicht verschobene Bilder einer Garnelen-Silhouette, einem beliebten Beutetier der Tintenfische, vor einem zufällig ausgewählten Muster aus hellen und dunklen Punkten. Mit beiden Augen betrachtet, ergaben die Bilder die Illusion einer Garnele, die über den Bildschirm lief. Mit jedem Auge einzeln betrachtet, wie für das dreidimensionale Sehen notwendig, wurden die Garnelen von den Punkten teilweise verdeckt.
Imaginäre Beutetiere für Tintenfische mit 3D-Brille nicht zu fassen
Im Versuch zeigte sich, dass die Tintenfische bei ihrer Jagd das imaginäre Beutetier nie zu fassen bekamen. Für die Forscher ist das ein Beweis dafür, dass Tintenfische - wie wir Menschen - ihre Umwelt plastisch wahrnehmen, weil sie ihre beiden Augen unterschiedlich nutzen. Wie bei den Tintenfischen ein dreidimensionales Bild entsteht, ist allerdings nicht klar.
Dreidimensionales Sehen beim Menschen
Der Mensch nimmt seine Umwelt in einer räumlichen Perspektive wahr, weil er seine beiden Augen unterschiedlich nutzt. Die verschiedenen visuellen Informationen des rechten und des linken Auges werden im Gehirn zu einem Gesamtbild verarbeitet, das dann dreidimensional ist.
Gehirn der Tintenfische anders als beim Menschen
Weil das Gehirn von Tintenfischen völlig anders aufgebaut ist als das des Menschen, kann das dreidimensionale Sehen bei den äußerst intelligenten Fischen nach Angaben der Forscher nicht nach den selben neuronalen Mechanismen funktionieren. Diese müssen in weiteren Studien erforscht werden.