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Die versteckte Allergie Hausstauballergie: Leiden das ganze Jahr

Die Symptome einer Hausstauballergie sind oft weniger auffällig als die einer Gräser- oder Pollenallergie: Ständig verstopfte Nase, Nebenhöhlenprobleme oder schlechter Schlaf. Da die Symptome das ganze Jahr über vorhanden sind, werden sie für die Betroffenen zur „Normalität“. . Ist die Allergie aber diagnostiziert, gibt es gute Möglichkeiten, sie zu behandeln. Die sogenannte Hyposensibilisierung in Tablettenform gibt es jetzt auch für Hausstauballergiker.

Von: Isabel Hertweck-Stücken

Stand: 13.06.2022

Vielfältige Symptome – eine Ursache: Hausstauballergie

Eine Hausstauballergie kann sich hinter vielen Symptomen verbergen.

Eine Hausstauballergie kann sich hinter vielen Symptomen verbergen. Sara L. merkte erst mit 16 Jahren, dass sie zu den Menschen gehört, für die Hausstaub ein gesundheitliches Problem darstellt. Die Symptome brachte sie lange Zeit nicht mit einer Allergie in Zusammenhang:

"Prinzipiell habe ich halt oft so einen Juckreiz nachts gehabt, ich hab immer wieder so ein Kribbeln verspürt, hab mir aber nichts dabei gedacht. Und ich hatte immer kontinuierlich Schnupfen, also zu jeder Jahreszeit."

Sara L., Hausstaub-Allergikerin

HNO-Arzt Dr. Bernhard Junge-Hülsing aus Starnberg schlug Sara L. vor, einen Allergietest zu machen. Obwohl sie eigentlich wegen einer Ohrenentzündung zu ihm gekommen war. Dabei stellte sich heraus: Ursache ihrer Beschwerden war eine Hausstauballergie. So geht es vielen.

Hausstauballergie: Symptome und mögliche Kreuzallergien

"Sehr häufig ist es so, dass Leute, die immer wieder Infekte haben, gerade in der Winterzeit, in der Heizperiode, nicht nur Infekte haben, sondern auch eine Hausstauballergie. Es kann sein, dass Personen, die ohne Gewichtszunahme auf einmal anfangen zu schnarchen, neu eine Hausstaubmilbenallergie entwickelt haben. Es kann sein, dass Leute, die zuhause gut schlafen, weil die Bettwäsche wöchentlich gewechselt und bei 60 oder 90 Grad gewaschen wird, im Hotel Probleme haben."

Dr. med. Bernhard Junge-Hülsing, Facharzt für Hals Nasen Ohren Heilkunde, Starnberg

Von Mittelohrproblemen bei kleinen Kindern bis zu chronischen Nebenhöhlenentzündungen bei Erwachsenen, von Ohrenschmerzen im Flugzeug, bis zu verklebten Augen und verstopfter Nase nach dem Aufwachen – all das kann ein Hinweis auf eine mögliche Hausstauballergie sein.
Auch wenn man plötzlich den Krabbensalat nicht mehr verträgt, könnte das ein Hinweis auf eine Hausstauballergie sein. Denn auch bei der Hausstauballergie kann es zu Kreuzallergien bei Nahrungsmitteln kommen.

Allergene im Hausstaub: Ursache Milben

Was genau im Hausstaub ist der Auslöser all dieser Probleme? Jede Wohnung hat ihr individuelles Staub-Gemisch aus Textilfasern, Nahrungsmittelresten, Bakterien, Pilzsporen, menschlichen und tierischen Hautschuppen und winzigen spinnenartigen Tierchen: den sogenannten Hausstaubmilben. Bestimmte Eiweiße aus ihrem Kot und Panzer lösen die allergischen Symptome aus. Medizinisch korrekt muss es daher Hausstaubmilbenallergie heißen.

Hausstauballergie: Was bringt Putzen?

Hausstauballergie: Hilft besonders gründliches Putzen?

Wie gut hilft Putzen gegen diese Mitbewohner, könnte man die Tierchen nicht einfach abtöten mit Chemie? Solche Präparate gibt es zum Waschen und Putzen. Allergieexpertin  Dr. Nicola Wagner von der Universitätsklinik Erlangen hält das für keine gute Idee.

"Sobald wir einen Tag in unserem Bett schlafen, sind die Milben wieder da. Es macht keinen Sinn, den Versuch zu unternehmen, komplett milbenfrei zu leben. Die sind einfach da, die tun uns nichts und sind harmlos. Es ist halt nur Sache der Quantität: Wenn jemand Hausstaubmilbenallergiker ist, dann sollte man versuchen, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um die Milben zu reduzieren."

Dr. med. Nicola Wagner, Allergiezentrum des Universitätsklinikums Erlangen

Schutz vor Hausstaubmilben: Spezielle Bettwäsche

Hausstauballergie: In Betten leben besonders viele Hausstaubmilben.

Für Allergiker ist wichtig, sich dort vor den Milben zu schützen, wo diese die besten Lebensbedingungen vorfinden und wo es reichlich menschliche Hautschuppen zu fressen gibt: im Bett, denn dort ist es warm und feucht.

"Die Milben leben in den Betten. Wenn man ein Gramm Staub aus der Küche nimmt, hat man 50 Milben pro Gramm Staub, wenn man ein Gramm Staub aus dem Bett nimmt, zwischen 5.000 und 10.000 Milben pro Gramm Staub. Das heißt also, wir haben eine hohe Milbenbelastung, von der wir tagtäglich umgeben sind."

Dr. med. Bernhard Junge-Hülsing, Facharzt für Hals Nasen Ohren Heilkunde, Starnberg

Mit einem Allergietest lässt sich eine Hausstauballergie feststellen.

Für Hausstauballergiker wie den 12-jährigen Wessim gibt es deshalb spezielle Allergiker-Bettwäsche. Das dichte Gewebe schützt vor den Millionen Milben in Decke und Matratze. Einmal die Woche wird das Bettzeug bei 60 Grad mindestens eine Stunde gewaschen. Maßnahmen, die seine allergischen Symptome und vor allem seine Schlafqualität schon ziemlich verbessert haben. Trotzdem wäre Wessim seine Allergie gerne ganz los. Denn wenn er bei Freunden übernachten will, geht das nur, wenn er seine eigene Bettwäsche mitbringt. Das aber ist nicht immer möglich.

Spezifische Immuntherapie: Spritzen oder Tabletten?

Hyposensibilisierung: Ein gespritzter Milbenextrakt kann die Haut wieder an das Allergen gewöhnen.

Eine Methode, die Hausstauballergikern hilft, ihre Symptome in den Griff zu bekommen, ist die sogenannte Hyposensibilisierung oder spezifische Immuntherapie. Bisher bedeutete das alle vier bis sechs Wochen eine Spritze mit Milbenextrakt, um den Körper wieder an das Allergen zu gewöhnen. Mit dieser Therapie sollte man aber nicht zu lange warten.

"Je früher man mit der Behandlung beginnt, je kürzer das besteht, desto höher sind die Erfolgschancen. Das bedeutet einen jungen Erwachsenen, der grade erst eine Hausstaubmilbenallergie entwickelt hat, der hat die größten Erfolgschancen."

Dr. med. Nicola Wagner, Allergiezentrum des Universitätsklinikums Erlangen

Hausstauballergie: Tabletten statt Spritzen

Hausstauballergie: Auch Tabletten können helfen.

Das Problem bei Wessim: Er hasst Spritzen. Zum Glück gibt es die Therapie aber seit kurzem auch in Tablettenform. Die muss man allerdings jeden Tag nehmen und das drei Jahre lang. Die Nebenwirkungen sind meist überschaubar. Bei vielen treten, wie bei Wessim, nur leichte lokale allergische Reaktionen auf, etwa ein leichtes Jucken im Mund oder im Hals. Im Laufe der Therapie können diese Symptome auch wieder verschwinden. Die erste Tablette muss, um die Verträglichkeit zu testen, unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden.

Nebenwirkungen der Tabletten

Als seltene Nebenwirkung der Hyposensibilisierung in Tablettenform wurde eine sogenannte „Eosinophile Ösophagitis“, das ist eine Entzündung der Speiseröhre beschrieben. Bei Symptomen wie Brennen im Hals oder einem „Kloßgefühl“ sollten die Patienten ihren Arzt konsultieren. Die Wirksamkeit der Tablettentherapie ist, ebenso wie bei den Spritzen, sehr gut. Allerdings scheint es den Patienten schwerer zu fallen, die Therapie zuhause auch konsequent drei Jahre lang durchzuhalten.

"Man muss den Patienten, der diese sublinguale Therapie durchführt, gut auswählen. Er muss zuverlässig sein, man muss wissen, dass er genau darauf achtet, wenn er Alkohol getrunken hat, dass er eine bestimmte Karenz einhält und dass er nicht die doppelte Dosis einnimmt, wenn er die Tablette vergessen hat, sondern dass er sich wirklich genau an die Maßgaben hält."

Dr. med. Nicola Wagner, Allergiezentrum des Universitätsklinikums Erlangen

Therapie bei Hausstauballergie: Gute Erfolgsaussichten

Wenn die Therapie gut vertragen wird und konsequent durchgeführt wird, können schon nach drei bis vier Monaten erste Symptom-Verbesserungen auftreten. Um den Erfolg möglichst dauerhaft, also circa sechs bis zehn Jahre zu festigen, sollte man unbedingt die empfohlenen drei Jahre (manche Studien empfehlen sogar vier Jahre) weitermachen.

Die Hyposensibilisierung bei Hausstauballergie schützt auch vor Asthma.

Zusätzlicher Vorteil der Hyposensibilisierung: Sie schützt vor Asthma. Durch die ständige Allergen-Exposition besteht bei Hausstauballergikern ein nicht zu unterschätzendes Risiko eines sogenannten „Etagenwechsels“ der Allergie, das heißt, es kann sich ein Asthma entwickeln. Dieses Risiko kann durch die spezifische Immuntherapie wesentlich gemindert werden.

"Ich habe ganz oft Patienten, die ich hyposensibiliert habe, gerade gegen Hausstaub, die dann sagen: Toll! Ich kann durch die Nase atmen, das konnte ich ja noch nie. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich das schon viel früher gemacht. Es ist natürlich schön, wenn man nachts besser schläft, wenn man nicht mehr von seinem Partner gehauen wird, weil man schnarcht. Wenn man ausgeschlafen ist, das ist eine unmittelbare Verbesserung."

Dr. med. Bernhard Junge-Hülsing, Facharzt für Hals Nasen Ohren Heilkunde, Starnberg

Übrigens: Der Grund für eine Hausstauballergie ist nicht mangelnde Hygiene, sondern hauptsächlich Veranlagung. Die haben immerhin 20 % Prozent der Bevölkerung. Manisches Putzen hilft dagegen jedenfalls nicht.  Zum Glück …


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