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Wirbel um verkürzten Genesenen-Status: Das sagen Experten

Wirbel um verkürzten Genesenen-Status: Das sagen Experten

Von sechs auf drei Monate: Die deutliche Verkürzung des Genesenen-Status sorgt für reichlich Aufregung. In den sozialen Netzwerken und auch in der Politik wird die Frage nach dem "Warum" gestellt. So schätzen Experten die Entscheidung ein.

Die Zeitspanne, in der Genesene nach einer Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus als geschützt gelten, ist drastisch verkürzt worden. Bisher galt der Genesenen-Status sechs Monate, seit 15. Januar sind es nur noch drei Monate. Im Grunde genommen genießt ein Genesener sogar nur gut zwei Monate die gleichen Vorteile wie ein Geimpfter bei 2G-Beschränkungen: Denn das Datum der Abnahme des positiven Tests muss mindestens 28 und darf maximal 90 Tage zurückliegen. Nachweise von Anfang Oktober zum Beispiel sind damit jetzt abgelaufen. 

Als Grund für den verkürzten Zeitraum nennt das Robert Koch-Institut (RKI) die geänderte Lage durch die Omikron-Variante: "Die Dauer des Genesenenstatus wurde von 6 Monate (sic.) auf 90 Tage reduziert, da die bisherige wissenschaftliche Evidenz darauf hindeutet, dass Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion einen im Vergleich zur Deltavariante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der Omikronvariante haben," schreibt das RKI auf seiner Website.

Verwunderung und Ärger über kürzeren Genesenen-Status

Die Verkürzung auf drei Monate wurde schnell zum Diskussions- und Aufregerthema. In den sozialen Medien äußerten einige zwar Verständnis angesichts der hohen Omikron-Fallzahlen, aber Verwunderung und Unverständnis dominierten. Eine Frage war beispielsweise, warum in der Schweiz Menschen nach einer Corona-Infektion zwölf Monate als genesen gelten und in Deutschland nur noch drei. Und: Warum eine Immunität von Genesenen plötzlich so niedrig eingestuft werde und was denn genau die wissenschaftlichen Erkenntnisse seien, die zu der Beurteilung geführt hätten.

Auch aus der Politik kommen kritische Worte. "Es reicht nicht, eine Regeländerung auf seine Website zu schreiben", sagte Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) der "Welt" - und fordert eine ausführliche Erklärung. Auch der bayerische FDP-Abgeordnete Matthias Fischbach findet, dass die "Begründung fehlt" und der Entscheidungsprozess intransparent wirke.

Berufung auf die Impfempfehlung der Stiko

Eine der drei Quellen, die das RKI nennt, ist die Begründung der Ständigen Impfkommission (Stiko) für die empfohlene Verkürzung des zeitlichen Abstands für Auffrischungsimpfungen auf drei Monate. In dieser Begründung betont die Stiko, "dass es sich bei dem gewählten Abstand von frühestens drei Monaten um das Ergebnis einer Abwägung handelt".

Dafür sei berücksichtigt worden, dass sich die Schutzwirkung der Grundimmunisierung vermindere, aber auch die Tatsache, dass Daten "zur Dauer der Schutzwirkung der Auffrischimpfung gegenüber der Omikron-Variante" fehlten. Die Stiko verweist mehrfach auf die "derzeit begrenzte Datenlage". Auf BR24-Nachfrage beim RKI, ob es sich auch bei den drei Monaten für den Genesenen-Status ebenfalls um eine Abwägung handele, kam bis Mittwochabend keine Antwort.

Auch aus einer anderen vom RKI angeführten genannten Quelle, einer britischen Studie mit 44.000 Beschäftigten im Gesundheitswesen, lässt sich kein Drei-Monats-Zeitraum herauslesen, wohl aber dass Wiederinfektionsraten insgesamt deutlich zugenommen hätten "und zwar überproportional zur Zunahme der Erstinfektion". Omikron wird in diesem britischen Report nicht herausgerechnet, weil es Ursache für nahezu alle Corona-Infektionen sei.

Virologe Timm: "Sicher am Nachimpf-Termin orientiert"

"Mit der Omikron-Variante gibt es neue Rahmenbedingungen", sagt Jörg Timm, Studienleiter am Institut für Virologie des Universitätsklinikums Düsseldorf, im BR24-Gespräch. Es handele sich um eine Variante mit Immunflucht – im Fachbegriff Immun-Escape. Das bedeutet: Antikörper binden sich nicht so gut an das Virus. Die Schutzwirkung durch eine bereits durchgemachte Infektion oder Impfung wird deutlich reduziert. Daher ist die Strategie gegen diese Variante, die Antikörperzahl möglichst hoch zu halten.

Einen Zeitrahmen, wann auf den Tag genau, Genesene kaum mehr vor einer erneuten Infektion geschützt seien, geben Studien nach Auskunft von Timm nicht her. "Hier hat man sich sicher an dem empfohlenen Nachimpf-Termin orientiert", so der Virologe. Damit würde bei den ohnehin vielen Regeln nicht noch eine neue Frist dazukommen.

Antikörperspiegel nimmt ab

Grundsätzlich wisse man, dass die Immunität – vor allem der Antikörperspiegel – bei Geimpften und auch bei Genesenen nach einer gewissen Zeit abnehme. Um einen guten Schutz gegen das Coronavirus zu haben, werde mit Nachimpfungen der Antikörperspiegel wieder angehoben. Das gelte auch für Genesene. Deshalb werde auch dieser Gruppe empfohlen, sich idealerweise drei Monate nach der Covid-Infektion impfen zu lassen.

Der Peak an Antikörpern sei in der Regel nach zwei bis vier Wochen zu beobachten – nach einer Impfung liege er etwas höher als nach einer Erkrankung. Dann sinke der Antikörperspiegel innerhalb der ersten drei Monate auf einen deutlich niedrigen Wert ab. Timm betonte, dass es in den Reaktionen eine große Bandbreite gebe und man den genannten Verlauf als Durchschnitt betrachten müsse.

Individuell könne das durchaus anders sein. Der Virologe merkt auch an, dass das Anheben des Antikörperspiegels vor allem mit Blick auf eine mögliche Infektion und die Weitergabe einer Infektion geschehe. Der Schutz vor schweren Verläufen hingegen hänge nicht so sehr von den Antikörpern ab, sondern vielmehr von T-Zellen.

Infektiologe Spinner: Nicht allein auf Genesenen-Status verlassen

Wie gut sind Genesene aber grundsätzlich vor weiteren Infektionen und schweren Erkrankungen geschützt? Dazu hat sich der Infektiologe Christoph Spinner, Pandemiebeauftragter des Klinikums rechts der Isar, in der neuen Ausgabe des BR-Podcasts "IQ – Wissenschaft und Forschung" geäußert. Derzeit wisse man nicht, wie gut der Schutz vor weiteren Varianten sei, wenn man nur nach einer Omikron-Infektion genesen sei, ohne zuvor Kontakt zu dem Virus gehabt zu haben.

"Es bleibt ein ganz zentraler Punkt, dass Menschen sich nicht nur auf den alleinigen Genesenen-Status verlassen sollten", sagt der Infektiologe. Im BR-Podcast empfiehlt er, dass das Immunsystem drei Kontakte haben sollte, also zusätzliche Impfungen für Genesene. Spinner hält es für sehr wahrscheinlich, dass man im Winter wieder Menschen mit einer Reinfektion sehen werde, die allein von Omikron genesen seien.

Virologe Streeck: "Aus meiner wissenschaftlichen Erkenntnis nicht erklärbar"

Kritik an der neuen Regelung übte der Virologe Hendrik Streeck, Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung. Der "Welt" sagte er, dass es natürlich dem Robert Koch-Institut obliege, festzulegen, wie lange der Genesenen-Status gütig sein soll. "Aber wir müssen wirklich aufpassen, dass die Entscheidungen auf fundiertem Wissen basieren und nicht willkürlich getroffen werden."

Streeck betonte, es gebe aus seiner Sicht wenig Gründe, Genesene nicht Geimpften gleichzustellen. Sie hätten in den meisten Fällen eine viel breitere Immunantwort. "In der Schweiz wurde der Genesenen-Status jüngst aus guten Gründen auf zwölf Monate verlängert. Dass eben jener Status in Deutschland auf drei Monate verkürzt wird, ist aus meiner wissenschaftlichen Erkenntnis nicht erklärbar", sagte der Experte.

"Widersprüchliche Datenlage"

"Wir sind derzeit dabei, die neuere wissenschaftliche Literatur zur Immunität Genesener zu sichten", teilt die Pressestelle der Gesellschaft für Virologie auf Anfrage von BR24 mit. Der letzte Stand der "Stellungnahme zur Immunität von Genesenen" ist vom 3. Dezember 2021. Aufgrund einer "widersprüchlichen Datenlage" konnte zum genannten Zeitpunkt "nicht sicher von einem ein Jahr anhaltenden Schutz Genesener ausgegangen werden". Wenige Monate davor - im September 2021 - hatte die Datenlage laut der Gesellschaft für Virologie noch dafür gesprochen.

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