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Ein mit abgelehnten Asylsuchenden besetztes Flugzeug startet vom Flughafen in München in Richtung Afghanistan (Symbolfoto)

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Abschiebeflug mit 14 Afghanen an Bord gestartet

Mehr als 50 abgelehnte Asylbewerber sollten heute nach Kabul ausgeflogen werden. Letztlich startete die Maschine in München mit 14 Afghanen an Bord. Zuvor hatte es Demonstrationen gegen die Abschiebung gegeben. Von Gerhard Brack und Lisa Weiß

Um 19.37 Uhr ist am Flughafen München ein Flugzeug mit abgelehnten Asylbewerbern in Richtung Kabul gestartet. Das gab die Bundespolizei auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks bekannt. Nach BR-Informationen war mit diesem Flug die Abschiebung von 58 Asylbewerbern geplant.

Dem Innenministerium zufolge waren aber nur 14 Menschen an Bord. Zehn der Abgeschobenen hatten sich zuletzt in Bayern aufgehalten. Sechs von ihnen waren straffällig geworden und unter anderem wegen unerlaubten Drogenbesitzes, Körperverletzung und Urkundenfälschung rechtskräftig verurteilt worden. Drei Afghanen verweigerten laut Innenministerium hartnäckig die Mitwirkung an ihrer Identitätsfeststellung. Ein weiterer Abgeschobener galt als Gefährder. 

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lobte die Abschiebung: "Mit jeder konsequenten Abschiebung setzt der Rechtsstaat ein Zeichen. Gefährder, Straftäter und hartnäckige Identitätsverweigerer stellen ein klares Sicherheitsproblem in unserem Land dar."

Protest von Flüchtlingshilfsorganisationen

Der Bayerische Flüchtlingsrat und Pro Asyl verurteilten die Abschiebung scharf. Nach einer Aktion in Nürnberg gestern protestierten heute Abend etwa 200 Menschen trotz Schneefalls und Kälte auf dem Münchner Marienplatz. Auch in Würzburg war eine Demo angekündigt.

Es gebe keine sicheren Gebiete in Afghanistan, in die abgeschoben werden könne und in denen die Betroffenen eine Lebensperspektive hätten, so der Flüchtlingsrat. Er fordert, ebenso wie die Organisation Pro Asyl, die Abschiebungen zu stoppen und die Sicherheitslage neu zu bewerten. Besonders kritisiert der Flüchtlingsrat die bayerische Staatsregierung. Sie scheine sich durch die Abschiebungen für die kommende Landtagswahl profilieren zu wollen, so ein Sprecher.

"Der Bayerische Flüchtlingsrat ist empört darüber, wie Bayerns Regierung sich gewissenlos über Vereinbarungen der Bundesregierung hinwegsetzt. Das ist Wahlkampf auf dem Rücken der Flüchtlinge." Stephan Dünnwald, Bayerischer Flüchtlingsrat

Wer ist ein Identitätsverweigerer?

Umstritten ist vor allem, wann ein Afghane als hartnäckiger Identitätsverweigerer gilt. Nach Ansicht von Flüchtlingshilfsorganisationen legt Bayern diese Regelung zu strikt aus: Bayern schiebe auch Afghanen ab, die versucht hätten, einen Pass zu beschaffen, aber bisher noch keinen Erfolg hatten, so der Vorwurf. Der bayerische Flüchtlingsrat spricht von "klarem Etikettenschwindel". Das bayerische Innenministerium weist die Vorwürfe zurück: Jeder Einzelfall werde von den bayerischen Ausländerbehörden genau geprüft, auch stehe der Rechtsweg offen.

Afghanistan-Abschiebungen auch im Bundestag umstritten

Kritik kommt auch von den Grünen im Bundestag: Anton Hofreiter, ihr Fraktionsvorsitzender, wies darauf hin, dass die Sicherheitslage in Afghanistan äußerst bedenklich sei und verwies auf die Anschlagsreihe in Kabul mit mehreren hundert Toten. Er erwarte von der Bundesregierung, dass sie ein realistisches Lagebild von Afghanistan erstelle und nicht weiter Menschen in dieses lebensgefährliche Gebiet abschiebe, so Hofreiter weiter.

Anders sieht das der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Stephan Mayer. Der CSU-Politiker ist davon überzeugt, dass es vollkommen richtig sei, schwere Straftäter, Gefährder und vor allem auch Personen, die ihre Identität verschleiern, nach Afghanistan abgeschoben werden. Zwar sei Afghanistan nicht befriedet, so Mayer, aber die Sicherheitslage sehr unterschiedlich. Momentan seien 13.000 Afghanen ausreisepflichtig, nur durch Abschiebungen erreiche man, dass weitere Afghanen bereit seien, freiwillig in ihre Heimat zurückzukehren, so Mayer weiter. 

In den nunmehr zehn Sammelabschiebungen seit Dezember 2016 wurden offiziellen Angaben zufolge bislang 188 Menschen nach Afghanistan zurückgeflogen.