Eine Schafherde, die auf einem Hang auf der Weide steht.
Bildrechte: Benjamin Beißwenger
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Die Merinoschafe von Schafbauer Benjamin Beißwenger auf der Weide im Oberallgäu

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Bayerische Merinowolle: Ein unrentables Abfallprodukt?

Bayerische Merinowolle: Ein unrentables Abfallprodukt?

Merinowolle liegt im Trend, gilt als ökologisch. Dabei legt die Wolle meistens weite Strecken zurück und bei der Produktion müssen die Schafe oft Schmerzen ertragen. Auch bei uns gibt es Merino-Züchter – aber keine Abnehmer mehr für die Wolle.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Ob bei der Winterwanderung oder beim Sport, mit Merinowolle ist man immer richtig angezogen. Denn bei niedrigen Temperaturen wärmt die kuschlige Wolle und bei Hitze ist sie atmungsaktiv und kühlt. Nicht umsonst gilt die Naturfaser als Alleskönner. Obwohl sie von Bekleidungsmarken als nachhaltig vermarktet wird, wissen die wenigsten, dass die Produktion oft mit Tierleid und weiten Transportstrecken verbunden ist.

"Mulesing" in Australien – eine umstrittene Praxis

Ein Großteil der weltweiten Exporte von Merinowolle kommt aus Australien. Dort ist das "Mulesing" weit verbreitet. Damit die Schafe mehr Wolle tragen, sind sie so gezüchtet, dass sie viele Hautfalten haben. Besonders in den Hautfalten um den Schwanz legt eine spezielle Fliegenart gerne ihre Eier ab. Die Fliegenmaden breiten sich in den Falten aus und verursachen teilweise schwere Infektionen.

Beim "Mulesing" wird diese Hautfalte schon bei den Lämmern ohne Betäubung entfernt, was den Tieren große Schmerzen bereitet. Anders als in Australien, dem Hauptexporteur von Merinowolle, ist das "Mulesing" zum Beispiel in Neuseeland und Südafrika verboten. Auch in Deutschland herrscht ein generelles Verbot.

Deutsche Merinowolle: Ein Draufzahlergeschäft

Obwohl der weltweite Bedarf nach Merinowolle groß ist, ist der deutsche Wollpreis im Keller. Das weiß Benjamin Beißwenger aus erster Hand. Der 25-Jährige hält im Oberallgäu 400 Merinoschafe. Eines seiner Schafe gibt im Durchschnitt pro Jahr drei Kilo Wolle. Pro Kilo Wolle bekommt er aktuell einen Euro Erlös. Die Kosten für die jährliche Schur liegen allerdings bei fünf Euro.

Das heißt, pro Mutterschaf macht er zwei Euro Verlust. Laut Beißwenger ist diese Bilanz noch verhältnismäßig gut: "Ich bin biozertifiziert und kriege zumindest Bio-Wolle für einen Euro pro Kilo weg. Sonst hätte ich gar keinen Vermarktungsweg." Finden Schäfer keine Abnehmer, müssen sie die Wolle teuer vernichten lassen.

Deutscher Markt steht still

Während der Allgäuer Schafhalter mit dem Verkauf von Lammfleisch und Landschaftspflege sein Geld verdient, ist Wollhändler Richard Stock aus Unterfranken auf den Wollmarkt angewiesen. Er holt die Wolle von Beißwenger ab, lagert sie ein oder lässt sie im Ausland waschen und verkauft sie dann weiter.

Für Bio-Wolle findet er gerade noch Abnehmer. Für konventionelle Wolle ist das, laut Stock, aktuell beinahe unmöglich: "2024 war der Markt komplett stillgestanden. Da war also null Nachfrage und null Verkauf. Ich konnte von Januar bis Oktober kein einziges Kilo deutsche konventionelle Wolle verkaufen."

Neues Handelsabkommen mit China

Um weiterverarbeitet zu werden, muss die deutsche Wolle gewaschen werden. Da in Deutschland keine geeignete Wollwäscherei mehr existiert, ist der Export von ungewaschener Rohschafwolle, sogenannter Schweißwolle, besonders wichtig. In einem Veterinärzertifikat hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaf (BMEL) mit China verhandelt, dass diese Schweißwolle direkt ohne Umweg über die Wäscherei für die Textilindustrie exportiert werden darf. 2023 wurden 123 Tonnen Schweißwolle nach China exportiert.

Die Qualität entscheidet

Um die heimische Wolle effizienter nutzen zu können, fehlt es am verarbeitenden Gewerbe. Und nicht nur das steht einer besseren Nutzung im Weg. Die deutsche Merinowolle hat einen Nachteil gegenüber der australischen Wolle: Die heimische Wolle ist kratziger auf der Haut. Da die Merinoschafe in Bayern der Witterung ausgesetzt sind, müssen sie ein dickes Fell bilden, um geschützt zu sein. Weil es in Australien deutlich wärmer ist, brauchen die Schafe ein weniger robustes Fell. Dadurch ist die Wolle feiner und dementsprechend weicher auf der Haut.

Deutsche Wolle trotzdem kein Abfallprodukt

Eine der wenigen verbleibenden Tuchfabriken in Bayern bemüht sich um die Verarbeitung von regionaler Wolle. Paulus Mehler von der Tuchfabrik Mehler in der Oberpfalz verarbeitet auch die gröbere, heimische Wolle zu Jacken, Mänteln oder strapazierfähigen Decken. Eine weitere Einsatzmöglichkeit: Akustikpaneele oder Wandtrenner. Zehn Prozent der Gesamtproduktion besteht aus heimischer Wolle, laut Mehler entstehen daraus Produkte für "Individualisten und für ganz Harte, die ein rustikales Produkt gerne tragen." Für Mehler ist die Renaissance der Wolle in Deutschland überfällig.

Dieser Artikel ist erstmals am 18.01.2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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