Die Liste der Krankenhäuser in Bayern, die einen Wachdienst beschäftigen, wird immer länger. Das Klinikum der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität beispielsweise ist schon vor 15 Jahren diesen Schritt gegangen. Das Klinikum Ingolstadt beschäftigt seit vier Jahren einen Wachdienst. Am Klinikum Nürnberg war es vor zwei Jahren so weit, beim Dritten Orden in München im Mai 2017. Die städtischen Kliniken der Landeshauptstadt haben zum Jahreswechsel einen Wachdienst beauftragt. Der Leiter der Notaufnahme im Münchner Klinikum Bogenhausen, Christoph Dodt, hält das für notwendigen Schritt.
"Wir haben eine Statistik, wie häufig es ist, dass Angestellte und Pflegekräfte in der Ersteinschätzung tatsächlich Aggression ausgesetzt sind. Das ist nicht ganz selten, sondern es kommt immer wieder vor." Christoph Dodt, Leiter der Notaufnahme Klinikum Bogenhausen
Bis zu 40 Übergriffe pro Monat
Als das Klinikum Nürnberg einen Wachdienst beauftragte, berichtete die Leitung von bis zu 40 Übergriffen pro Monat – mit steigender Tendenz. Der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Siegfried Hasenbein betont, dass die Mehrzahl der Kliniken im Freistaat keinen Grund sieht, einen Wachdienst zu beauftragen. Doch auch er beobachtet, dass die Probleme mit aggressiven Patienten zunehmen.
"Wir hören von unseren bayerischen Krankenhäusern immer öfter, dass Gewalt in den Krankenhäusern und dort insbesondere in der Notaufnahmen immer häufiger vorkommt. Das ist so ein Kristallisationspunkt. Das muss nicht immer körperliche Gewalt sein, sondern kann auch eine verbale Aggressivität sein." Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft
Lange Wartezeiten sind ein Problem
Viele Notaufnahmen berichten, dass der Andrang der Patienten immer größer wird – die Klinik der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität spricht von einem Anstieg um 40 Prozent innerhalb weniger Jahre – mit entsprechend längeren Wartezeiten. Auch Christoph Dodt, der am Klinikum München Bogenhausen die Notaufnahme leitet, hält lange Wartezeiten für einen Auslöser für Aggressionen. Er sieht aber auch etliche andere Gründe.
"Ganz sicher ist es auch so, dass Alkohol eine Rolle spielt, vielleicht Drogen. Psychische Störungen sind nicht selten, vielleicht auch eine fehlende Kinderstube. Da gibt es ein ganzes Spektrum von Verhaltensauffälligkeiten bei den Patienten." Christoph Dodt, Leiter der Notaufnahme Klinikum Bogenhausen
Patienten fehlt der Respekt
Dodt, der auch Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft Notfall- und Akutmedizin ist, sieht aber vor allem ein Grundproblem:
"Also ich glaube, die Distanz zwischen der Institution Krankenhaus oder Rettungsdienst und den Patienten ist deutlich geringer geworden. Es gibt ein größeres Anspruchsverhalten der Patienten und auch ein höheres Aggressionspotenzial." Christoph Dodt, Leiter der Notaufnahme Klinikum Bogenhausen
Die Zeiten, in denen jemand, der einen weißen Kittel trägt, als Respektsperson galt, seien vorbei, meint auch der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, Siegfried Hasenbein.
"Wir erleben das auch in anderen Bereichen wie Feuerwehr, bei Rettungssanitätern und Polizisten. Auch da beklagt man, dass die Leute sich immer mehr aggressivem Verhalten ausgesetzt sehen. Und da würde ich auch das Krankenhaus mit einordnen." Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft
Wachdienst reduziert Aggressionen
Die Arbeitskleidung von Sanitätern, Pflegern oder Ärzten flößt vielen Patienten also keinen Respekt mehr ein - nach Ansicht des Notfallmediziners Christoph Dodt sieht das bei den dunklen Uniformen von Sicherheitsleuten anders aus.
"Diese Aggressionen werden dann doch reduziert, wenn jemand anderes dabei ist, der aussieht, als wäre er bei einem Wachdienst." Christoph Dodt, Leiter der Notaufnahme Klinikum Bogenhausen
Alternative: Kostenloses W-LAN für Patienten
Es gibt allerdings auch Kliniken, die einen ganz anderen Weg gehen, um Aggressionen in der Notaufnahme abzubauen. Das St.-Elisabeth-Krankenhaus im unterfränkischen Bad Kissingen hat Mitte März bekannt gegeben, dass es ab sofort kostenloses WLAN bereitstellt. Man wolle Patienten, die länger warten müssen, die Wartezeit "versüßen", erklärte die Klinikleitung wörtlich.