Das große Scheitern: Ist der Führerschein zu schwer geworden?
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Fahrlehrer und Fahrschüler in einer Prüfungssituation

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Das große Scheitern: Ist der Führerschein zu schwer geworden?

Das große Scheitern: Ist der Führerschein zu schwer geworden?

Immer häufiger scheitern Fahrschüler an der Führerscheinprüfung, während die Kosten weiter steigen. Ist der Führerschein zu schwer geworden? Kontrovers - Die Story begleitet Fahrschüler, die sich der schwierigen Aufgabe stellen.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Als Fernando Halisch aus München ins Fahrschulauto steigt, hofft er, dass es eine seiner letzten Fahrstunden sein wird. Der 22-Jährige hat bereits die Theorieprüfung bestanden, jetzt fehlt ihm mit der praktischen Prüfung nur noch ein letzter Schritt zur Unabhängigkeit. Heute simuliert er mit seinem Fahrlehrer die Prüfungssituation. "Man will bestehen, mehr nicht", sagt er im Interview mit Kontrovers – Die Story.

Abwärtstrend: Nur noch eine gute Hälfte der Führerscheinprüfungen erfolgreich

Doch die Chancen, die finale Führerscheinprüfung zu bestehen, sind in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Nur circa 54 Prozent der Theorieprüfungen in Deutschland waren 2023 erfolgreich, bei den Praxisprüfungen sind es immerhin 64 Prozent. Eine Entwicklung, die Fernando Halischs Fahrlehrer auch in seiner Münchner Fahrschule beobachtet. "Da gibt’s keine Schönrednerei", sagt Andreas Hoegler. Seit 17 Jahren unterrichtet er das Autofahren. Bei ihm bestehe mittlerweile etwa jeder zweite Fahrschüler die Prüfung nicht.

Verkehrspsychologin: "Das tut einem schon leid"

Die Aufgabenstellung für Fahrprüfungen werden bei der sogenannten ARGE TP21 entwickelt. Die Arbeitsgemeinschaft aus TÜV und Dekra hat ihren Sitz in Dresden. "Das oberste Ziel ist es, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten", sagt Verkehrspsychologin Katja Schleinitz. Sie entwirft vor allem die Aufgaben für die Theorieprüfung. Hin und wieder bekommt sie verzweifelte Briefe von Fahrschülern, die mehrfach an den Prüfungen scheitern. "Das tut einem schon leid", sagt Schleinitz.

Im VIDEO: Kontrovers - Die Story - Das große Scheitern

Prüfungsfragen alle sechs Monate angepasst

Die gestiegene Durchfallquote beschäftigt auch die Dresdner Arbeitsgemeinschaft. Halbjährlich passt sie die Fragen an den sich verändernden Straßenverkehr an: Veraltete Fragen werden entfernt, neue hinzugefügt. "Insgesamt wird es komplexer und schwieriger", sagt Verkehrspsychologin Schleinitz. Doch das sei nur einer von vielen Erklärungsansätzen: Die eine Antwort, warum immer mehr Menschen durch die Fahrprüfung fallen, haben sie hier bislang nicht gefunden. "Es ist nicht ermutigend. Wir gucken auf die Quote, wir kennen auch die Debatte darum. Und wir sind daran interessiert, dass die nicht weiter sinkt."

Münchner Fahrschüler zahlt etwa 3.500 Euro für Führerschein

Für den Münchner Fahrschüler Fernando Halisch wäre Durchfallen vor allem ein finanzielles Problem, denn jeder neue Versuch kostet 130 Euro extra. "Ich bin derzeit ungefähr bei 3.500 Euro", erzählt er. "Es ist schon ein teurer Spaß. Und auch schwer für jemanden, der nicht allzu viel verdient", sagt er.

Tiktok-Influencer gibt über 800.000 Followern Tipps für Fahrprüfung

Der Kampf um den Führerschein ist mittlerweile auch Thema in Sozialen Netzwerken, wie ein Blick auf den TikTok-Kanal von Fahrlehrer und Influencer Christoph Flittner zeigt. Mehr als 800.000 Follower haben "HerrFahrschule", wie sich der Erdinger auf der Plattform nennt, abonniert. Dort gibt er unter anderem Tipps für den Führerschein.

Im Interview mit dem Kontrovers-Team kritisiert Flittner, dass die Ansprüche an Fahrschüler in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen seien. "Ich stelle mir manchmal die Frage in so einer Führerscheinprüfung: Suchen wir Deutschlands besten Autofahrer oder suchen wir jemanden, der so fährt, dass er für sich und andere kein Problem darstellt?"

Elektronisches Prüfungsprotokoll: Grund für hohe Durchfallquote oder "Meilenstein"?

Vor allem eine Neuerung stört Flittner: Während sich Prüfer vor einigen Jahren noch Notizen auf Papier gemacht haben, wurde 2021 ein elektronisches Prüfprotokoll eingeführt. Damit trägt der Prüfer in einem Tablet ein, welche Aufgaben wie gut gemeistert wurden. Doch viele Prüfer orientierten sich mittlerweile überwiegend an diesem harten Katalog – und das führe häufiger zum Durchfallen, sagt Flittner. "Früher war die menschliche Entscheidung, die menschliche Komponente und der Eindruck des Prüfers oder der Prüferin irgendwie wichtiger."

Doch genau diese "menschliche Komponente" könne auch zu ungerechten Entscheidungen führen, sagt Verkehrspsychologin Katja Schleinitz. Um diese zu vermeiden, wurde das elektronische Prüfprotokoll überhaupt erst eingeführt. "Ein Meilenstein im Vergleich zu früher, wo der Prüfer mit seinem Schmierzettel hinten im Auto saß und sich Notizen machen musste", findet Schleinitz. Das heutige System sei gerechter, weil für jeden die gleichen Standards gälten.

Fahrschüler besteht praktische Prüfung beim ersten Versuch

Standards, denen sich Fahrschüler Fernando Halisch stellen muss. Seit seiner letzten Fahrstunde sind einige Tage vergangen, die praktische Prüfung steht nun an. Nervös steigt er ins Auto, auf dem Beifahrersitz wartet sein Fahrlehrer, hinten ein unbekannter Prüfer. "Ich hoffe einfach, dass ich aufmerksam bin und dass mein Kopf da ist", sagt er, bevor er losfährt. 55 Minuten lang dauert die Prüfung, Fernando Halisch ist früher fertig als erwartet. Als er aussteigt, grinst er und sagt: "Ich bin überhappy." Er hat seinen Führerschein.

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