Symbolbild: Laut neuem bayerischen Klimaschutzgesetz sollen auf geeigneten staatlichen Dächern Photovoltaik-Anlagen platziert werden.
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Symbolbild: Laut neuem bayerischen Klimaschutzgesetz sollen auf geeigneten staatlichen Dächern Photovoltaik-Anlagen platziert werden.

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Das neue bayerische Klimaschutzgesetz – was will es?

Bis zum Jahr 2040 will Bayern klimaneutral sein – und damit schneller als andere: Fünf Jahre vor dem Bund und zehn Jahre vor der EU. So steht es im neuen bayerischen Klimaschutzgesetz. Über die Gesetzesänderung stimmt heute der Landtag final ab.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Bayerns neues Klimaschutzgesetz ist fertig. Es geht heute in die finale Abstimmung im Landtag. Lange hat es gedauert und zu viel Streit in der Koalition geführt. Als vor etwa eineinhalb Jahren das Bundes-Klimaschutzgesetz vom Bundesverfassungsgericht als in Teilen verfassungswidrig eingestuft wurde, kündigte Bayern an, auch das eigene, bayerische Klima-Gesetz zu überarbeiten. Das war zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal ein Jahr alt. BR24 hat für Sie die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengefasst.

Was steht drin im neuen bayerischen Klimaschutzgesetz?

Klimaneutral bis zum Jahr 2050, das war bisher das Ziel – mit dem neuen Gesetz soll die bayerische Klimaneutralität schon im Jahr 2040 erreicht sein. Dafür will der Freistaat bis 2030 den Ausstoß von Treibhausgasen um 65 Prozent senken, verglichen mit dem Jahr 1990. Damit hat sich Bayern viel vorgenommen: Der Freistaat will fünf Jahre vor dem Bund und zehn Jahre vor der EU klimaneutral sein.

Was Bayern konkret vorhat, wird vor allem in einem Maßnahmenprogramm aufgelistet, welches das neue Klimaschutzgesetz flankiert. Hier stehen die Details zum Gesetz. 145 konkrete Maßnahmen sind es, die dort erläutert werden: Bayern will bis Ende 2024 zum Beispiel 30 Millionen Bäume gepflanzt haben. Außerdem sollen Moore geschützt und der ÖPNV auch auf dem Land ausgebaut werden. Bei staatlichen Gebäuden will der Freistaat Dächer und Fassaden begrünen und Photovoltaik-Anlagen anbringen. Außerdem soll es mehr Ladesäulen für E-Autos geben. Auch die Staatsregierung und deren Bedienstete selbst geben sich ein Ziel: weniger Flugreisen.

Was ändert sich für den Einzelnen?

Wer Schüler oder Azubi ist, für den soll es künftig in mehr Städten ein 365-Euro-Ticket für den ÖPNV geben. Bisher wird so ein Jahresticket für den jeweiligen Verkehrsverbund zum Beispiel in München, Nürnberg und Regensburg angeboten. So will der Freistaat junge Fahrgäste an den ÖPNV binden.

Wer ein E-Auto hat oder sich eines anschaffen will, soll auch profitieren. In Zukunft soll es mehr Ladesäulen in Bayern geben: 70.000 davon will der Freistaat bis 2030 errichten. Und wer Beamter ist, wird zukünftig die Möglichkeit haben, ein Dienstfahrrad zu bekommen – geleast vom Arbeitgeber, so wie es manche Unternehmen schon länger anbieten. Um das zu ermöglichen, wird zusätzlich zum Klimaschutzgesetz das Bayerische Besoldungsgesetz geändert. Um Radfahren insgesamt attraktiver zu machen, will der Freistaat Radschnellwege und Radwege ausbauen.

Wie finanziert der Freistaat die Vorhaben?

Laut Umweltministerium steht aus dem bayerischen Haushalt eine Milliarde Euro pro Jahr bereit. Diese "Klima-Milliarde" ergebe sich, wenn man das für den Klimaschutz vorgesehene Geld aus verschiedenen Haushaltsposten zusammenrechnet. Außerdem sind für den Ausbau der erneuerbaren Energien zusätzlich 500 Millionen Euro geplant, das hat das Kabinett vor kurzem beschlossen. Damit will die Staatsregierung in Geothermie, Wasserstoff, Windkraft, Photovoltaik und Biomasse investieren.

Was hält die bayerische Opposition vom Gesetz?

Die FDP macht schon vorab klar: Sie wird das Gesetz im Landtag ablehnen. Der klimapolitische Sprecher, Christoph Skutella, hält es für falsch, die europäischen und deutschen Klimaziele unterschiedlich voneinander zu gestalten. Auch in Bayern würden Unternehmen schließlich am europäischen Emissionshandel teilnehmen. Wenn die EU aber bis 2050 klimaneutral sein will, Deutschland bis 2045 und Bayern mit 2040 noch ein ambitionierteres Ziel angibt, sei nicht klar, was von den dreien nun für die betroffenen Unternehmen gelte. "Gleicht die Staatsregierung den Ankauf von Zertifikaten für Unternehmen nach 2040 aus? Oder dürfen diese Unternehmen auch nach 2040 Treibhausgase emittieren?" Das seien Fragen, welche das Ministerium und die Regierungsfraktionen ihm nicht beantworten konnten, sagt der FDP-Abgeordnete Skutella.

SPD-Fraktionsvorsitzender Florian von Brunn ist unzufrieden mit dem Gesetz, weil es nicht ausreiche. Es würden nur Ziele angekündigt, aber die notwendigen Maßnahmen fehlten: "Die Aufhebung des Windkraftstopps etwa und eine Solarpflicht beim Neu- und Umbau auch im Privatbereich." Außerdem fordert er Kaufprämien für energiesparende Haushaltsgeräte für Menschen mit niedrigen Einkommen.

Grüne: Gesetz unverbindlich und ambitionslos

Für die Grünen im bayerischen Landtag geht die geplante Reform des Klimaschutzgesetzes ebenfalls nicht weit genug. Zwar wurde das Gesetz überarbeitet, Fraktionschef Ludwig Hartmann kritisiert aber, dass nur wenig geändert wurde. Das Gesetz sei unverbindlich, ambitionslos und verantwortungslos, so Hartmann und betitelt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als "obersten Versprechen-Brecher Bayerns".

Die AfD lehnt das Klimaschutzgesetz insgesamt ab. Der umweltpolitischen Sprecher der AfD im Landtag, Ingo Hahn, findet, es sei nahezu unmöglich mit dem Ausstieg aus Kohle- und Kernenergie bis 2040 klimaneutral zu werden. "Anstatt das Angebot an Energieträgern zu erweitern und somit für verlässliche und bezahlbare Energie zu sorgen, jagt die Staatsregierung lieber grünen Luftschlössern hinterher. Unter diesen Umständen würde eine Klimaneutralität bis 2040 nicht weniger als die völlige Deindustrialisierung Deutschlands bedeuten", sagt Hahn.

Wie reagieren Verbände auf das geänderte Gesetz?

Je schneller der Ausbau von erneuerbaren Energien, desto besser, so sieht es Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer des bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK). Deshalb stehe er auch dem neuen Gesetz positiv gegenüber. Ein großes Problem sieht er aber vor allem in einer Sache – der "Klageindustrie", und an der könne auch der Freistaat nichts ändern: "Zum Beispiel können wir bei der Genehmigung von Windrädern noch so schnell sein – wenn kurz darauf in der Planungsphase jemand klagt wegen vorgeschobener Artenschutzbedenken, braucht es Jahre, bis ein Windrad steht."

Der Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, in welchem bayerische Energie-Unternehmen organisiert sind, bewertet das Ziel der Staatsregierung, bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden zu wollen, ebenfalls positiv. Aber es sei auch eine riesige Herausforderung: "Wir stehen vor einem gigantischen Transformationsprozess, der von allen Beteiligten in kurzer Zeit größte Anstrengungen erfordert. Es wäre vermessen zu sagen, dass wir heute wissen, wie das in Gänze umgesetzt werden kann", sagt Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbands.

Kann das bayerische Klima-Gesetz überhaupt viel bewirken?

Die wichtigsten Gesetzgebungskompetenzen für den Klimaschutz, zum Beispiel um Treibhausgase in der Industrie, im Verkehr oder der Landwirtschaft zu reduzieren, liegen auf europäischer und Bundesebene. Bayern kann selbst also nur begrenzt tätig werden. Der Freistaat wolle aber trotzdem mit seinem Klimaschutzgesetz "draufsatteln", so ein Sprecher des Bayerischen Umweltministeriums. Machtlos beim Thema Klimaschutz sei man nicht, schließlich sei das Klimaschutzgesetz nicht das einzige essenzielle Gesetz, sondern es gebe viele Begleitgesetze mit Einfluss aufs Klima: Zum Beispiel das Baugesetz, in dem die kürzlich aufgeweichte 10H-Regel stehe.

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