Ungewöhnliches Experiment an der Grundschule Heilingbrunner in Bad Reichenhall: Eine Mädchenstimme ertönt aus den kleinen Laptop-Lautsprechern auf dem Lehrerpult in der Klasse 4a - sie spricht reines Hochdeutsch. Dann kommt die nächste Kinderstimme, diesmal auf bairisch. Vor jedem Schulkind liegt ein Fragebogen.
Wie interpretieren Kinder Dialekt?
Konzentriert hören die Kinder den Sprachaufnahmen zu und kreuzen ein Kästchen an. Für die vierte Jahrgangsstufe ist das schon eine Herausforderung. Deshalb führt sie der Sprachforscher Eugen Unterberger Schritt für Schritt durch die Aufgaben. Sie sollen ankreuzen, wie stark die Person jeweils Hochdeutsch oder Dialekt spricht. Später werden sie verschiedene Fragen dazu beantworten: Würden sie lieber neben der einen oder der anderen Sprecherin sitzen wollen? Hätten sie lieber Unterricht bei der bairisch klingenden Lehrerin oder bei der, die Hochdeutsch spricht?
Forschungsstudie in der deutsch-österreichischen Grenzregion
Eugen Unterberger ist Germanist und Linguist an der Universität Salzburg. Zusammen mit seiner Kollegin Cordula Pribyl-Resch besucht er seit Anfang des Jahres Schulklassen in der deutsch-österreichischen Grenzregion und führt Tests durch. Sechs Grund- und Mittelschulen nehmen auf der bayerischen Seite teil, sechs weitere in Österreich, denn auch dort werden verschiedene Varianten des Bairischen gesprochen.
"Bin ich dumm?"
Nachdem die Schüler die ersten Kreuze gemacht haben, meldet sich ein Mädchen und fragt, ob sie dumm sei, wenn sie Bairisch spreche. "Nein" versichert ihr der Germanist, "sicher nicht." Die Reaktion sei beispielhaft, sagt Eugen Unterberger. "Dieses Vorurteil ist in Bevölkerung nach wie vor verbreitet." Das sei schade.
Neuer Blick auf den Dialekt
Meinungen können sich ändern - und da setzt der pädagogische Teil der sogenannten Interventions-Studie in der vierten und sechsten Jahrgangsstufe an. Denn das Forschungsteam will nicht nur herausfinden, wie Kinder sprachliche Vielfalt bewerten, sondern auch, ob sie ihre Meinung dazu verändern können. Dafür haben sie Unterrichtsmaterialien entwickelt und 30 Lehrkräfte fortgebildet.
Die Unterrichtsmaterialien sollen den Kindern dabei helfen, über ihr eigenes Sprachrepertoire und ihre sprachliche Umwelt nachzudenken und Stereotype kritisch zu hinterfragen. Anschließend machen die Germanisten erneut Tests. Die sollen zeigen, ob sich bei den Schülerinnen und Schülern an der Einstellung zu Sprache und Dialekt etwas geändert hat.
Erste Ergebnisse noch in diesem Schuljahr
Die Sprachwissenschaftler planen noch in diesem Schuljahr mit ersten Ergebnissen, vorausgesetzt die Corona-Infektionslage erlaubt, dass sie Schulen weiterhin besuchen dürfen. Das Projekt wird von der EU sowie vom Amt der Salzburger Landesregierung und vom Förderverein Bairische Sprache und Dialekte gefördert.
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