Wo heute der Kreutweiher aufgestaut ist, fand Wilhelm Kohl die Überreste von Eichenpfählen. (Aufnahme ca. 1894)
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Wo heute der Kreutweiher aufgestaut ist, fand Wilhelm Kohl die Überreste von Eichenpfählen. (Aufnahme ca. 1894)

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Ein Apotheker und das Rätsel um einen endlosen Schuttwall

Den Ursprung eines endlosen Schuttwalls quer durch Mittelfranken konnte sich lange niemand erklären. Vor 130 Jahren wies ein Weißenburger Apotheker nach: die Römer bauten an der Grenze ihres Reichs einen Holz-Zaun - und später eine meterhohe Mauer.

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Als sogenannte Teufelsmauer war die alte Grenze des römischen Reiches sogar auf Landkarten eingezeichnet. Es war ein unendlicher Schuttwall, voller großer Steine, der scheinbar keinen Anfang und kein Ende hatte, und sich in einer geraden Linie quer durch die Landschaft zog. Durch Wälder und Feuchtgebiete, über Äcker, Hügel und Täler, vom Rhein bis an die Donau. Vor rund 130 Jahren machten sich Heimatforscher erstmals daran, diese Reste des Limes, einer einst drei Meter hohen römischen Grenzmauer, systematisch zu erforschen. Dem Weißenburger Apotheker Wilhelm Kohl gelangen dabei spektakuläre Funde.

Endloser Schuttwall: „da muss der Teufel dahinter stecken“

Wilhelm Kohl wuchs in den 1850er Jahren im Pfarrhaus der mittelfränkischen Ortschaft Dambach auf, am nördlichen Fuß des Hesselbergs. Unweit der Ortschaft stieß der junge Wilhelm beim Streifzug durch Wälder und Felder immer wieder auf Hinterlassenschaften der Römer. "Der Vater war so gebildet, dass er die Scherben den Römern zuordnen konnte", sagt Markus Gschwind, beim Landesamt für Denkmalpflege zuständig für Archäologisches Welterbe.

"Pfarrer und Lehrer haben im 19. Jahrhundert die Heimatforschung vorangetrieben." Markus Gschwind, Landesamt für Denkmalpflege

Tatsächlich wurde unweit von Dambach ein Römercastell nachgewiesen, auch die Reste eines Amphitheaters sind im Wald noch deutlich zu erkennen. Den Pfarrerssohn Wilhelm Kohl ließ das Thema nicht los. Als der Reichstag nach jahrelangem Gezerre um die Finanzierung im Jahr 1892 die Erforschung des Limes beschloss, stand der 44-jährige Wilhelm Kohl längst in den Startlöchern. Nur fünf Tage später vollzog er stolz den ersten Spatenstich seiner Ausgrabungen, im mittelfränkischen Mönchsroth bei Lellenfeld im Landkreis Ansbach.

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Wilhelm Kohl am Castelltor Dambach ca. 1894

Wilhelm Kohl: ehrenamtlicher Streckenkommissar

Zu der Zeit war Kohl hauptberuflich Apotheker in Weißenburg. Er betrieb gemeinsam mit seinem Bruder auch eine Limonaden-Fabrik. Wilhelm Kohl lebte ein rastloses Leben: er hatte in Weißenburg bereits einen Krankenpflegeverein gegründet, einen Verschönerungsverein und einen Altertumsverein. Doch seine große Leidenschaft galt dem Limes.

Er hatte sich frühzeitig als sogenannter Streckenkommissar beworben, einer ehrenamtlichen Aufgabe. Die Streckenkommissare waren für die Ausgrabungen an einzelnen Abschnitten der 167 Kilometer langen Limes-Mauer zuständig und berichteten der Reichslimeskommission über ihre Ergebnisse. Wilhelm Kohl war einer der ersten, der die Arbeiten mit Fotos dokumentierte, und akribisch Zeichnungen über die Funde anfertigte.

Spektakulärer Fund: Eichenbalken unter der Mauer

Sein wichtigster Erfolg gelang ihm nur wenige hundert Meter von seinem Kindheitsort Dambach entfernt. Der Limes verläuft hier nördlich vom Hesselberg mitten durch ein Feuchtgebiet. Wo heute der Kreutweiher aufgestaut ist, fand Wilhelm Kohl die Überreste von Eichenpfählen. Im feuchten Untergrund hatten sich diese über knapp zweitausend Jahre erhalten. Die Befunde Wilhelm Kohls zeigen, dass die alten Römer die Grenze zuerst mit einem Holzzaun sicherten – und erst später die Steinmauer am Limes errichteten.

Palisaden mit Abstand: Entdeckung Wilhelm Kohls

Die dicken Eichenbalken des Palisadenzauns standen dabei mit etwas Abstand zueinander. Das habe Kohl als erster nachweisen können, sagt Limes-Experte Markus Gschwind. "Trotzdem hat man später bei Rekonstruktionen diese Forschungsergebnisse nicht berücksichtigt und die Balken dicht an dicht gestellt." Im Kreutweiher legte Wilhelm Kohl einen sogenannten Pfahlrost frei, viele nebeneinander stehende Eichenpfähle, die in dem feuchten Gelände als Fundament für die Mauer dienten.

Eichenpfähle lassen das Jahr des Limes-Mauerbaus datieren

Auch neuere Forschungen greifen auf die von Wilhelm Kohl hier entdeckten Eichenpfähle zurück. "Es ist die einzige Stelle am rätischen Limes, wo wir den Mauerbau genau datieren können", sagt Markus Gschwind. Ein Kollege habe vor etwa 15 Jahren die Hölzer nach neuesten Methoden untersucht. "Hier können wir sagen, die Hölzer sind im Winter 206 gefällt worden, entsprechend wurde die Mauer wahrscheinlich im Frühjahr 207 nach Christus errichtet."

Spuren des Limesforschers: im Römermuseum und Apothekenmuseum

Dass sich Weißenburg heute Römerstadt nennen kann, ist nicht zuletzt Wilhelm Kohl zu verdanken. Sein Altertumsverein grub das Römerlager aus, der Standort Biricana war die wichtigste Militäreinrichtung der Gegend. Als Römisches Erbe der Stadt sind heute das Castell, eine Therme und 18 hochwertig gearbeitete Götterfiguren aus Bronze zu besichtigen.

Wilhelm Kohls Wirken ist noch bis Dezember in einer Sonderausstellung im Römermuseum zu sehen. Die Einrichtung seiner Apotheke übrigens ist heute noch vollständig erhalten. Seine Amtsnachfolgerin Almut Binkert hat diese im Keller der Einhorn-Apotheke liebevoll arrangiert und zeigt Besucherinnen gerne ihre Schätze.

Der Weißenburger Apotheker und Limesforscher Wilhelm Kohl.
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Limesforscher Wilhelm Kohl

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