Wie Kantinenessen anders gehen könnte, lässt sich bei der "Kantine Zukunft" in Berlin beobachten. Ernährungsminister Cem Özdemir besuchte die Initiative, die Kantinenessen nachhaltiger machen will, im Januar als PR-Termin und probierte sich dort durch ein Menü: Humus mit Tomaten als Hauptspeise, ein Apfelbrot – nicht süß, nicht salzig – als Zwischenmahlzeit, und veganer Schoko-Haferquark als Nachspeise.
Das Fazit des Ministers: „Sensationell. Das ist gesund und schmeckt gut“, sagt Özdemir. Aber ist so ein Menü auch alltagstauglich für eine normale Kantine, zum Beispiel bei einem Autozulieferer? Wenn es nur dieses Gericht gibt, wahrscheinlich nicht, sagt Patrick Wodni von der Kantine Zukunft. „Aber wenn ich noch zwei hinzufüge, die das Ganze vernünftig ergänzen, dann würde ich sagen: ja klar.“ Er wolle die Currywurst nicht abschaffen, sondern Alternativen bieten, sagt Wodni.
Özdemir will besseres Essen in Kantinen, Schulen, Krankenhäusern
Eines der Projekte, an denen Wodni mitarbeitet, ist das Essen im Krankenhaus Havelhöhe in Berlin. Dort haben sie nach und nach das Menü umgestellt – gesünder und abwechslungsreich. Eine Herausforderung bei dem geringen Budget pro Patient. Geht es nach Ernährungsminister Özdemir, braucht es viel mehr solcher Projekte: „Welch Ironie“, sagt er: „ich geh ins Krankenhaus, aber das Essen fördert nicht meine Gesundheit.“ Das sei ein Schildbürgerstreich.
Ernährungsregeln in Kantinen etablieren
Das Ziel des Grünen-Politikers ist, dass alle Schulen, Kantinen, Pflegeeinrichtungen "ein gesundes Essen auf dem Stand dessen, was die Wissenschaft uns sagt, anbieten können". Das dürfe auch nicht am Geldbeutel scheitern. Özdemir will dafür die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in der Gemeinschaftsverpflegung verbindlich machen und bis 2030 etablieren. Die DGE empfiehlt fünf Portionen Gemüse und Obst pro Tag, viele Vollkornprodukte und nur wenig Fleisch pro Woche.
Empfehlung: fünf Portionen Obst und Gemüse
Das Landwirtschafts- und Ernährungsministerium arbeitet gerade an einer Ernährungsstrategie. Besseres Essen in Kantinen ist eine der Ideen. Außerdem will Özdemir die Ernährungsbildung stärken und arbeitet an Werbeeinschränkungen für ungesunde Lebensmittel. Noch sind das zum großen Teil Ideen und Ankündigungen. Der Minister kann wenig konkrete Maßnahmen vorweisen. Die Ernährungsstrategie soll bis Ende 2023 erarbeitet werden.
Beim Kantinenessen sollen zunächst Modellprojekte gefördert werden. Zu wenig, findet Christiane Seidel vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Um wirklich in der Gemeinschaftsverpflegung voranzukommen, müssten der Bund, aber auch Länder und Kommunen, mehr Geld zur Verfügung stellen. Es brauche ein Finanzierungskonzept. Insgesamt sind für Seidel noch viele Fragen offen: „Was genau mit dieser Ernährungsstrategie erreicht und wie die Ernährungswende gestaltet werden soll, das bleibt im Nebel.“
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Ernährungsstrategie ist bis Ende 2023 geplant
Neben den Fokus auf gesundes Essen will die Bundesregierung auch mehr Bio-Lebensmittel beim Essen – um Umwelt- und Klimaziele zu erreichen. Einer, der den Schritt gegangen ist, ist Frank Stormanns aus Augsburg. In seinem Restaurant auf dem dortigen Stadtmarkt bietet er Mittagessen komplett in Bio an. Damit ist er ein Exot unter seinen Kollegen.
Im Moment liegt der Bio-Anteil in der gesamten Außer-Haus-Verpflegung, also Kantinen, Schulessen, Restaurants und Ähnliches, bei nur rund einem Prozent. Ein Problem für die Bundesregierung. Denn sie hat sich das Ziel gesetzt, 30 Prozent Öko-Landbau bis 2030. Im Moment sind es rund 11 Prozent. Will man das steigern, müsste auch die Nachfrage nach Bio-Produkten steigen.
Beratung für mehr Bio-Quote in Restaurants und Kantinen
Als eine Maßnahme hat das Ernährungsministerium vor Kurzem begonnen, Beratungsangebote zu fördern – für Kantinen, aber auch Restaurants, die ihre Bio-Quote verbessern wollen. Auch Frank Stormanns hatte vor der Umstellung viele Fragen und Sorgen, erzählt er: Bio-Tomaten oder Paprika in guter Qualität sind zum Beispiel im Winter teuer - und machen damit auch die Gerichte teuer. Kann man diese Produkte ersetzen? Und wie viel Umstellung kann man den Kunden zumuten?
Seine Bio-Beraterin, Eva Maria Huber vom Bioland-Verband in Augsburg, gab Tipps. Zum Beispiel ließen sich Tomaten als Garnitur durch Rote Beete ersetzen. Damit Bio-Gastronomie erfolgreich funktioniere, brauche es ein Umdenken bei den Köchen. Einfach den alten Speiseplan in Bio zu machen, funktioniere nicht, sagt Huber. Gerade bei Fleischgerichten wird das schnell sehr teuer.
Forderung: Bio-Quote in Kantinen
Allein mit den bisherigen Maßnahmen des Bundes, zum Beispiel Beratungsangebote zu fördern, wird der Wandel aber nicht gelingen, finden Bioland-Beraterin Huber genauso wie die Kantine Zukunft aus Berlin. Sie plädieren für feste Bio-Quoten in Kantinen.
Bei den bundeseigenen Kantinen will das Ernährungsministerium da jetzt ran. Das Ziel ist, den Bio-Anteil in Kantinen der Bundesverwaltung bis 2025 auf 30 Prozent festsetzen und danach weiter steigern. Allerdings weiß das Ministerium im Moment nicht, wie hoch der Bio-Anteil dort gerade überhaupt ist. Das sei erstmals Ende 2022 erhoben worden, schreibt das Ministerium auf Anfrage von BR24. Die Auswertung sei noch nicht abgeschlossen.
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