Daniela Rieth muss in ihrem Job sehr kreativ sein. Nicht, weil sie Erzieherin ist, sondern weil sie immer neue Kniffe braucht, um mit dem Personalmangel an ihrer Kita klarzukommen. In jedem Eck steht zum Beispiel ein Eimer mit Katzenstreu für Erbrochenes. Den holt der Kinderpfleger, wenn er wieder einmal allein ist mit 25 Kindern, und streut das Katzenstreu schnell auf das Erbrochene.
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Kita-Leiterin kämpft täglich mit dem Fachkräftemangel
In der Zwischenzeit hoffen alle darauf, dass weder ein Kind da reintritt, daran leckt oder anderen Unfug treibt. Die Kita-Leiterin des "Haus der Kinder" im Münchner Norden, Daniela Rieth, und ihre Mitarbeiter kämpfen täglich mit dem Personalmangel: "An allen Ecken und Enden zu springen und Feuer zu löschen ist einfach eine wahnsinnige Belastung. Wenn heute eine Küchenfrau ausfällt, ist die Leitung unten in der Küche und spült das Geschirr, weil wer soll sonst das Geschirr spülen?", sagt Kita-Leitung Daniela Reith in verzweifeltem Ton.
67.000 Erzieher werden in Bayern fehlen
Was Daniela Rieth erlebt, ist kein Einzelfall. Der Fachkräfte-Radar 2022 der Bertelsmann Stiftung geht für Bayern davon aus, dass im schlimmsten Fall bis 2030 rund 67.000 Fachkräfte fehlen könnten. Die Kommunen fordern deswegen die Unterstützung durch den Freistaat ein.
Das zuständige Familienministerium weiß um diese Situation, betont, dass es gemeinsam mit dem Kultusministerium zur Fachkräftegewinnung beträgt, verweist aber auch auf die Steigerung der Zahl der Beschäftigten um 73 Prozent seit 2011 und antwortet auf BR-Anfrage weiter: "Fest steht: Der Fachkräftemangel in der gesamten Kinder- und Jugendhilfe ist groß. […] Eine Deckung der Personallücke zeichnet sich […] nicht ab."
Familienministerium erlaubt "Experimentierklausel"
Das Familienministerium erlaubt den Kommunen deshalb ab sofort, die Qualitätsstandards befristet zu senken. Sie können eine "Experimentierklausel" anwenden und so den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz erfüllen. Es können größere Gruppen eingerichtet und zeitweise weniger Fachpersonal eingesetzt werden.
In "Einstiegsgruppen" können Kinder bis zu vier Jahren in einer Kita ganz ohne Fachpersonal betreut werden, bis sie in eine reguläre Gruppe aufgenommen werden können. Der Bildungsauftrag wird dabei zurückgestellt, erläuterte Bayerns Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) kurz vor Beginn des neuen Kita-Jahrs am 1. September.
Kita-Fachverband fordert bessere Arbeitsbedingungen
Dass die Personallücke so groß ist, hat viele Gründe, meint Lisa Pfeiffer vom Kita-Fachverband – einem Verein, der sich für bessere Arbeitsbedingungen an Kitas einsetzt. Eltern mit Kindern ab einem Jahr haben einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Ab 2026 gilt das auch für Grundschulkinder.
Deswegen fordert der Kita-Fachverband Bayern von der Politik: "Der Personal-Kind-Schlüssel muss verändert werden, dann brauchen wir Hauswirtschafts- und Verwaltungskräfte. Es kann nicht sein, dass eine Leitung zum Abspülen geht, weil die Hauswirtschaftskraft nicht da ist, weil es überhaupt keine gibt."
Pfeiffer: Mehr Investitionen in Kita-Qualität nötig
Lisa Pfeiffer betont außerdem die für sie falschen Investitionen in die Gebührensenkung der Kita-Beträge: "Das Geld wäre in die Qualität besser investiert gewesen, für die Fachkräfte besser investiert gewesen, also, dass es direkt auch bei den Kindern und an Ort und Stelle ankommt. Aber ich denke, das Ziel wurde dadurch einfach verfehlt. In anderen Bundesländern wurden die Gelder anders investiert und wirklich in die Qualität gesteckt und da haben wir einfach signifikante Verbesserungen feststellen können."
Erzieher-Ausbildung attraktiver gestalten
Eine mögliche Lösung für den Erziehermangel sieht sie darin, die Ausbildungen attraktiver zu gestalten: "Die Ausbildung sollte definitiv komplett kostenlos sein, besser gefördert werden. Kinderpflegeausbildung – auch mit Verdienst machen. Da ist schon einiges passiert, aber auch da könnte man noch besser ansetzen."
Die Erzieherausbildung wird nur teilweise vergütet und ist mittlerweile auf vier Jahre verkürzt. Wer aber Abitur hat, kann seit 2021 schon in drei Jahren eine bezahlte Ausbildung machen. Die Ausbildung zur Kinderpflegerin ist unbezahlt, aber die Azubis können BaföG-Gelder beantragen.
Die Kita von Daniela Rieth ist auch auf der Suche nach Erzieherinnen. Sie sei bereits seit Monaten dauer-ausgeschrieben, sagt sie. Bei ihr arbeiten ausschließlich ausländische Fachkräfte als Kinderpfleger – zum Beispiel aus Spanien. Der Arbeitsmarkt für deutsche Erzieherinnen und Erzieher scheint leergefegt.
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Kita-Leiterin wünscht sich mehr Hilfskräfte
Sie selbst – die Leiterin – ist in allen Bereichen unterwegs, springt von Küche zu Krippe und von der Krippe ins Büro, wo sie eigentlich sein sollte. Aus den Töpfen des Gute-Kita-Gesetzes wurde ihr für ein Jahr eine Büro-Assistentin gestellt. Ende des Jahres ist die aber auch wieder weg, da die Förderung ausläuft.
Sie wünscht sich für jede Gruppe eine dauerhafte Hilfskraft, damit die Erzieher auch pädagogisch arbeiten können: "Der Bund hat Gelder zur Verfügung gestellt für die Länder, um die Qualität anzupassen und es ist primär in die Elterngelder geflossen. Mir fehlt da die Nachhaltigkeit. Wenn das jetzt 2022 ausläuft, wie geht’s denn da weiter?"
2023 kommt das Kita-Qualitätsgesetz
Das Gute-Kita-Gesetz soll ab 2023 vom Kita-Qualitätsgesetz abgelöst werden, wie Bundesfamilienministerin Lisa Paus Ende August sagte. Damit werden keine Gelder des Bundes mehr in eine weitere Senkung von Kitagebühren gesteckt. Das sollen die Länder ab dann selbst finanzieren.
Der Schwerpunkt des neuen Gesetzes soll – wie der Name sagt – mehr Investitionen in die Kita-Qualität sein: sprachliche Bildung, Maßnahmen für bessere Ernährung und mehr Bewegung und mehr Geld für mehr Fachkräfte. Dafür gibt’s vom Bund vier Milliarden Euro in den nächsten zwei Jahren. So zumindest der neue Plan des Bundesfamilienministeriums. Der Bundestag und Bundesrat müssen dem Gesetz aber noch zustimmen.
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