Der Post "Die 5 schlimmsten Fakten zum bayerischen Polizeigesetz" wurde mehr als 13.000 Mal geteilt und verbreitet sich gerade im Netz. Darin nennt die Organisation Campact fünf Maßnahmen, die die Polizei mit der Neuerung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) in Zukunft ergreifen können soll. Im Kern finden sich alle fünf Punkte im Gesetz, doch die Tücke liegt im Detail.
"Die Polizei darf Dich 3 Monate einsperren – ohne Straftat. Ohne Anwalt."
Die Möglichkeit, eine Person drei Monate einzusperren ohne, dass eine Straftat vorliegt, hat bereits die Änderung des Polizeiaufgabengesetzes im Sommer 2017 geschaffen. Richtig ist also: Menschen können über einen längeren Zeitraum festgehalten werden, ohne dass sie bereits eine Straftat begangen haben. Falsch ist aber, dass die Polizei jemanden über Monate einsperren kann. Nach einer Festnahme muss "unverzüglich" ein Richter darüber entscheiden, ob die Person in Haft bleibt. Der Richter kann den Gewahrsam für bis zu drei Monate anordnen, danach muss wieder geprüft werden. Der Richter könnte dann die Präventivhaft verlängern – wieder um bis zu drei Monate.
Und der Anwalt? Die Betroffenen bekommen nicht automatisch einen Pflichtverteidiger zugewiesen, kritisiert Juraprofessor Markus Krajewski. Die Möglichkeit, sich einen rechtlichen Beistand zu holen, gibt es aber.
"Polizisten lesen Deine Whatsapp-Chats." und "Polizeibeamte durchstöbern die Fotos in Deiner Cloud."
Den Begriff der "drohenden Gefahr" wurde schon mit der letzten Änderung des PAG 2017 eingeführt – "wonach in absehbarer Zeit Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkung zu erwarten sind" (PAG Art. 11 Abs. 3). Die Polizei kann schon jetzt in manchen Fällen bei drohender Gefahr aktiv werden – ohne, dass eine konkrete Tat geplant und ein konkreter Tatort und eine konkrete Tatzeit bekannt ist. Das Neue ist, dass die Polizei mit der Änderung des PAG viel mehr Maßnahmen bereits bei drohender Gefahr anwenden kann. Hartmut Wächtler vom Republikanischen Anwaltsverein zählt in seinem Gutachten 21 Einzelmaßnahmen. Zum Beispiel darf die Polizei die Telekommunikation überwachen und Onlinedurchsuchungen schon dann vornehmen, wenn sie Hinweise darauf hat, dass eine Gefahr von einer Person ausgehen könnte. Dann können, wie Campact beschreibt, Whatsapp-Chats gelesen und Daten in der Cloud ausgewertet werden. Allerdings muss ein Richter diesen Durchsuchungen zustimmen.
"Die Polizei bewaffnet sich mit Handgranaten."
Handgranaten nutzen - das darf die Polizei schon seit langem. Deren Einsatz ist auch in der aktuell gültigen Fassung des PAG geregelt. Neu ist, dass jetzt auch Sprenggeschosse verwendet werden dürfen. Diese "Explosivmittel" dürfen gegen Personen eingesetzt werden – "wenn diese selbst erkennbar den unmittelbaren Gebrauch von Schusswaffen, Sprengmitteln oder anderer, im Einzelfall vergleichbar gefährlicher Mittel beabsichtigen und der vorherige Gebrauch anderer Waffen durch die Polizei ersichtlich aussichtslos oder unzureichend ist" (PAG-Entwurf Art. 86 Abs. 2). Die Sorge, dass in Zukunft jeder Streifenpolizist Handgranaten dabei hat, ist jedoch unbegründet. In der Praxis können diese nur die beiden Spezialeinsatzkommandos in München und Nürnberg einsetzen – und auch nur, wenn vorher der Landespolizeipräsident zugestimmt hat.
"Die Polizei kann E-Mails in Deinem Namen schreiben."
Die Polizei dürfte mit der Änderung des PAG nicht nur die Telekommunikation überwachen, sie dürften Inhalte, die sie auf dem durchsuchten Gerät finden, auch verändern. Die Rahmenbedingungen sind dafür eng abgesteckt: Die Polizei darf Daten "bei dringender Gefahr" löschen oder verändern, "wenn die Gefahr nicht anders abgewehrt werden kann", heißt es im Gesetzentwurf (PAG-Entwurf Art. 45 Abs. 1). In den Anmerkungen zum Entwurf wird das damit begründet, dass man so zum Beispiel Dateien zu konkreten Anschlagsplänen verändern könnte. Heißt das, die Polizei kann auch E-Mails verschicken? "Das ist nicht spezifiziert", sagt Hartmut Wächtler vom Republikanischen Anwaltsverein. Es sei theoretisch denkbar, denn das Gesetz gebe grundsätzlich die Möglichkeit, vorhandene Daten zu verändern – wo und in welchem Umfang führe der Gesetzgeber nicht aus. Das hält Hartmut Wächtler für bedenklich.