Dieser Fall hat sich am 10. Februar in Straubing ereignet: Ein Mann warf einen Hund aus dem Fenster einer Wohnung im dritten Stock. Das Tier wurde so schwer verletzt, dass es starb. Auch unter dem Facebook-Post von BR24 schrieben aufgebrachte User Kommentare und nicht wenige vermuteten, dass die Strafe für diese Tat gering ausfallen würde. Hier einige Meinungen: "Und das was dann unterm Strich als Urteil rauskommt, ist ein Witz …" oder "Und was wird am Ende herauskommen? NICHTS, da der Hund ja NUR eine SACHE darstellt …" oder "Was sollen denn immer so schockierende Nachrichten, man macht ja doch nix".
Darin enthalten sind zwei Vorwürfe: Zum einen, dass die für Tierquälerei vorgesehenen Strafen zu gering seien. Zum anderen, dass mögliche Strafen nicht verhängt würden.
Bis zu drei Jahren Haft bei Tierquälerei
Wer ein Wirbeltier quält oder mutwillig und ohne vernünftigen Grund tötet, verstößt gegen das Tierschutzgesetz. Die Strafe, die darauf steht: bis zu drei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe. Festgehalten ist das in §17 des Tierschutzgesetzes.
"Grundsätzlich ausreichend"
Nach Ansicht des Deutschen Tierschutzbundes reichen die rechtlichen Mittel grundsätzlich aus. "Generell wird aber das maximale Strafmaß nur selten ausgenutzt", sagt Christian Schönwetter aus der Rechtsabteilung des Tierschutzbundes, "Fälle, in denen Tierhalter oder andere Tierquäler zu mehrjähriger Haftstrafe verurteilt werden, sind also sehr selten." Dazu komme, dass Ersttäter meist eine Bewährungsstrafe erhielten, wenn das Strafmaß unter zwei Jahren betrage. "Meistens bleibt es aber bei einer Geldstrafe", stellt Schönwetter fest.
Bei den Fällen, die der Deutsche Tierschutzbund beobachtet, würden Staatsanwälte die Schwere von Tierquälereien als eher gering einstufen. Besonders, wenn es sich um einzelne Tiere handele. "Hier kommt es sehr oft zur Einstellung von Verfahren wegen geringer Schuld oder aber zu Strafbefehlen, die zu einer Geldauflage führen", erläutert Schönwetter. Verurteilungen mit abschreckender Wirkung gebe es selten und wenn, dann meistens, wenn es um mehrere Tiere geht.
Knackpunkt: Einschätzung durch Staatsanwälte und Gerichte
"Die Problematik", erklärt Schönwetter vom Tierschutzbund, "liegt aus unserer Sicht in der Bewertung der Fälle durch Staatsanwaltschaften und Gerichte."
Ein ähnlich gelagerter Befund bildete den Ausgangspunkt für eine Untersuchung des Thünen-Institutes, dem Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei. "Immer wieder beklagen Amtstierärzte, dass eindeutige Verstöße gegen das Tierschutzgesetz von den Justizbehörden nicht als solche angesehen und damit strafrechtlich verfolgt werden", heißt es auf der Webseite zur 2015 veröffentlichten Studie. Weil Zahlenmaterial fehlt, hatten die Forscher Amtstierärzte und Staatsanwälte zu Gruppendiskussionen gebeten. Übereinstimmend sei zur Sprache gekommen, dass es viele Einstellungen von Tierschutzverfahren gebe, Verfahren sehr lange Verfahren dauern und geringe Strafmaße verhängt würden.
Aus Sicht der Gruppendiskussions-Teilnehmer werden Verfahren abgelehnt, weil Staatsanwälte und Richter wenig Engagement für und Interesse am Tierschutz hätten, sie zudem nur über geringe Fachkenntnis verfügten und ebenso wie die Veterinärämter unter schlechter personeller Ausstattung bzw. Arbeitsüberlastung leiden. Außerdem scheiterten viele Verfahren bei Nutztieren daran, dass ein vorsätzliches Handeln nachgewiesen werden müsse.
Was sagt die Justiz dazu?
Zu einzelnen Fällen wären die betreffenden Staatsanwaltschaften und Gerichte die Ansprechpartner. Für eine Aussage zur allgemeinen Rechtspraxis bei Tierquälerei hatte BR24 unter anderem beim Deutschen Richterbund angefragt und letztlich eine Antwort aus dem bayerischen Justizministerium erhalten: "Unabhängig von den in Betracht kommenden Straftatbeständen ermitteln die bayerischen Staatsanwaltschaften in jedem Fall sorgfältig und versuchen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls aufzuklären", erklärt die stellvertretende Pressesprecherin Rebekka Übler, "auf dieser Grundlage entscheiden sie anschließend über das weitere Vorgehen." Bei einer Entscheidung vor Gericht würden alle Umstände berücksichtigt, die im Verfahren festgestellt werden - sowohl die Fakten, die für den Angeklagten sprechen, als auch diejenigen, die gegen ihn sprechen.
Wegen Straftaten nach dem Tierschutzgesetz wurden 2016 in Bayern 181 Personen verurteilt. In den Jahren davor waren es 159 in 2015, 145 in 2014, 190 in 2013) und 175 in 2012. In dieser Statistik wird allerdings nicht nach verschiedenen Vergehen gegen das Tierschutzgesetz unterschieden. Herauslesen lässt sich auch nicht, wie viele Verfahren gegen mutmaßliche Tierquäler eingestellt wurden.
"Für Sachen geltende Vorschriften"
Der Tierschutz hat in den vergangenen 20 Jahren einen höheren Stellenwert bekommen und wurde 2002 als Staatsziel in die deutsche Verfassung aufgenommen. Gelten Tiere im Gesetz immer noch als Sachen? Ja und nein. Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist festgelegt, dass Tiere keine Sachen sind. Aber sie werden juristisch so behandelt wie Sachen: "Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist", heißt der §90a im Wortlaut.
Fazit:
Sogar aus Sicht von Tierschützern sind die im Gesetz vorgesehenen Strafen bei Tierquälerei grundsätzlich ausreichend. Dennoch gibt es Kritik, dass die Vergehen nicht so streng bestraft werden, wie es dem Gesetz nach möglich wäre. Dieses könnte nur im Einzelfall von Experten beurteilt werden. Generell gilt der Grundsatz, dass für die Höhe der Strafe am Gericht alles, was für und gegen den Angeklagten spricht, in Betracht gezogen wird.
Beispiele für gerichtliche Entscheidungen aus Bayern:
2017
Geldstrafe 1.350 Euro am Amtsgericht München. Ein Mann würgte im Juli 2016 seinen Hund, schlug ihn mit Wucht und sprühte ihm Trockenshampoo ins Gesicht. Zeugen hatten die Polizei verständigt. Bei der Geldstrafe berücksichtigte die Kammer, dass der Mann Hartz IV bezog und von seiner Mutter unterstützt wurde.
2017
Zehn Monate Haft auf Bewährung, 2.000 Euro Bußgeld und fünf Jahre Tierhalteverbot: Ein Mann aus Niederbayern hatte 2015 seinen Schäferhund an der Anhängerkupplung seines Autos zu Tode geschleift. Die Strafe wurde 2016 verhängt. Das Urteil sollte am Landgericht überprüft werden, doch Angeklagter und Oberstaatsanwalt nahmen das frühere Urteil an.
2016
Vorläufige Einstellung des Verfahrens unter Auflagen. Anklage: Mindestens 15 Rinder völlig abgemagert und verdreckt im Mist. Der Landwirt Nikolaus Ertl und seine Mutter waren zuvor zu Geldstrafen verurteilt worden. Ertl legte Rechtsmittel ein, um einen Freispruch zu erreichen, einigte sich aber im Einvernehmen mit Staatsanwaltschaft und Kammer des Augsburger Landgerichts auf die vorläufige Einstellung gegen Auflagen.
2012
27.000 Euro Geldstrafe (180 Tagessätze à 150 Euro) verhängt vom Amtsgericht Starnberg. Eine Pferdehalterin hatte ihre drei Pferde nicht artgerecht gehalten, unter anderem keinen freien Auslauf gewährt und dem Tier mit ständigem Sporeneinsatz psychisches und physisches Leid zugefügt.