Mehr als 200 Wildunfälle gibt es jeden Tag in Bayern, die meisten davon ereignen sich zwischen 20 Uhr und Mitternacht. So auch am 11. Juni gegen 23.30 Uhr, als eine Peißenbergerin auf der Bundesstraße 2 vor Weilheim ein Reh erfasste, das bei der Kollision starb. Die Frau informierte zwar die Polizei, ließ das tote Tier jedoch auf der Fahrbahn liegen, ohne die Unfallstelle zu sichern.
Weil kurz darauf eine Weilheimerin über das tote Reh fuhr und dabei ihr Auto beschädigte, ermittelt die Polizei nun wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gegen die Peißenbergerin. Der Fall bewegte auch die BR24-Nutzer. Ein Nutzer stellte eine Reihe von Fragen:
"Nachts auf einer einsamen Landstraße aussteigen? Will man das jedem zumuten? Es gab genug Autofallen in der Vergangenheit. Das Tier wegräumen? Hat es eine Zoonose, gar Tollwut? Kann ein Stadtmensch bei Dunkelheit wehrhaftes von nichtwehrhaftem Wild unterscheiden?"
Auch auf Facebook wurde der Unfall heftig diskutiert: Im Kern ging es um die Frage, ob die Frau das Reh von der Fahrbahn hätte ziehen müssen.
Wichtigste Regel: Unfallstelle sichern
Auch ein Wildunfall ist ein Verkehrsunfall. Der Fahrer hat "unverzüglich zu halten, den Verkehr zu sichern und bei geringfügigem Schaden unverzüglich beiseite zu fahren", heißt es in §34 der Straßenverkehrsordnung. Verkehr sichern heißt: "Erstens Warnweste anziehen, zweitens Warnblinkanlage einschalten und drittens das Warndreieck aufstellen, und zwar 50 Meter bis 100 Meter von der Unfallstelle entfernt", sagte Martin Hackl, Sachbearbeiter Verkehr in der Polizeiinspektion Weilheim zu BR24.
Hätte die Autofahrerin das tote Reh von der Straße räumen müssen? "Niemand wird verpflichtet, ein 80 Kilogramm schweres Reh von der Straße zu ziehen", sagte Hauptkommissar Hackl. Allerdings hätte die Frau unter der Notrufnummer 110 die Polizei rufen und bis zu deren Eintreffen selbst an der Unfallstelle bleiben müssen, so Hackl. Da sie weitergefahren sei und das Tier ungesichert liegen gelassen habe, habe sie ein Verkehrshindernis geschaffen, weswegen die Polizei nun wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gegen sie ermittle. "Niemand muss sich selbst in Gefahr bringen, aber andere Verkehrsteilnehmer eben auch nicht", sagte Hackl.
Jagdverband: verletzte Tiere nicht anfassen
Wie mit einem angefahrenen Tier umzugehen ist, hängt auch davon ab, ob das Tier noch lebt oder schon tot ist. "Verletzte Tiere unbedingt liegen lassen und keinesfalls anfassen. Das gilt insbesondere für Wildschweine, denn sie können aggressiv sein", rät der Jagdverband in seiner Broschüre zu Wildunfällen. Weiter heißt es dort: "Wurde das Wild durch den Zusammenstoß getötet, sollte man es nach Möglichkeit von der Fahrbahn an den Rand ziehen (Schutzhandschuhe tragen), um Folgeunfälle zu vermeiden." Auch als Laie könne man erkennen, ob ein Tier regungslos sei, sagte Thomas Schreder, Pressesprecher des Bayerischen Jagdverbandes zu BR24. Aufgabe der Polizei ist es, den zuständigen Jäger zu informieren. Im Idealfall komme der Jäger mit seinem Jagdhund so schnell wie möglich zur Unfallstelle, so Schreder. Wenn ein schwer verletztes Tier noch lebe, könne der Jäger es mit seinem Gewehr töten, sofern das nicht schon die Polizei getan habe. Für die Entsorgung von toten Tieren sind die Jäger rein rechtlich gesehen nicht zuständig, machen es Schreder zufolge in der Praxis aber fast immer freiwillig. Falls sich das angefahrene Tier noch selbst von der Unfallstelle entfernt, nimmt der Jagdhund die Witterung auf, um es - wenn möglich - zu finden.
Wildunfälle nehmen in Bayern stark zu
Die Zahl der Wildunfälle auf Bayerns Straßen ist in den vergangenen Jahren nach Angaben des Bayerischen Innenministeriums deutlich gestiegen: Von 57.275 Wildunfällen im Jahr 2008 auf 75.879 im Jahr 2018, was einer Steigerung von 32 Prozent entspricht. Und dabei handelt es sich nur um die Fälle, die der Polizei gemeldet wurden. Rund drei Viertel aller Wildunfälle sind Zusammenstöße mit Reh-, Rot- oder Damwild, wovon das Rehwild besonders häufig beteiligt ist.
Das Innenministerium sieht vor allem drei Gründe für die steigende Zahl an Wildunfällen:
- den stetig wachsenden Straßenverkehr
- nicht an die jeweilige Situation angepasste Fahrgeschwindigkeiten
- das geänderte Freizeitverhalten der Menschen, die das Wild immer häufiger stören und das Wild zum Wechseln der Straße verleiten
Thomas Schreder vom bayerischen Jagdverband weist darauf hin, dass Wild im Sommer nicht nur im Wald anzutreffen sei, sondern auch auf Feldern und Äckern nach Nahrung suche, weswegen Autofahrer auch dort mit Wildwechsel rechnen sollten.
Unterschiedliche Ansätze zur Prävention
Um die Zahl der Wildunfälle zu senken, gibt es verschiedene Präventionsmöglichkeiten:
- Blaue, weiße oder rote Reflektoren, die an der oberen Seite der weißen Straßenbegrenzungspfosten angebracht werden. Sie reflektieren das Scheinwerferlicht von Fahrzeugen und sollen so das Wild davon abhalten, auf die Straße zu laufen.
- Bei den so genannten Duftzäunen wird ein spezieller Polyurethan-Hartschaumstoff auf Bäume in der Nähe von Unfallschwerpunkten aufgesprüht. Durch Sonneneinstrahlung öffnen sich in dem Schaum Poren, die Geruchsbestandteile zum Beispiel von Wolf, Luchs, Bär oder Mensch freigeben und Wild so abhalten.
- Apps wie "Wuidi", die Verkehrsteilnehmer durch ein Warnsignal informieren, wenn sie sich einem Gebiet mit häufigem Wildwechsel nähern. Jäger können Gefahrengebiete selbst in die Wildwarner-Datenbank eintragen. Das bayerische Innenministerium hat "Wuidi" die anonymisierten Wildunfalldaten von 2010 – 2018 zur Verfügung gestellt und erhofft sich von der App "eine frühzeitige Warnung und entsprechend angepasste Fahrweise der Verkehrsteilnehmer, sowie im Falle eines Unfalls Hilfe für den Fahrer bei der exakten Übermittlung des Unfallstandortes".
- Beim Wildwarnsystem "AniMot" werden die Straßenleitpfosten mit kleinen infrarotbasierten Geräten ausgestattet, die miteinander vernetzt sind und das Gebiet um die Straße nach Wärmequellen absuchen. So werden Rehe, Wildschweine und andere Tiere am Straßenrand erkannt. Spürt ein Gerät eine Wärmequelle auf, blinkt ein gelbes Warnlicht zur Warnung der Autofahrer an allen Pfosten im Umfeld. Das System wird derzeit auf Teststrecken in den Landkreisen Erding, Landshut, Schweinfurt und Wunsiedel erprobt. Die Testphase ist auf drei Jahre angelegt.
Die Bundesanstalt für Straßenwesen kam in einer Untersuchung der farbigen Wildwarnreflektoren zu dem Schluss, dass diese "keine ausreichenden optischen Reize für Wildtiere generieren". Das bayerische Verkehrsministerium setzt deswegen auf das Wildwarnsystem "Animot", um Fahrer zu warnen.
Fazit
Wer mit einem Tier kollidiert, muss als erstes die Unfallstelle sichern. Im zweiten Schritt muss man die Polizei verständigen. Tote Tiere sollten, wenn möglich, von der Straße entfernt werden. Wer sich das nicht zutraut, sollte warten, bis die Polizei eintrifft und das übernimmt. Wer ein totes Tier auf der Straße liegen lässt und die Unfallstelle ungesichert verlässt, schafft ein Verkehrshindernis und macht sich damit strafbar.
Rehe werden nicht bis zu 80 Kilogramm schwer, wie Kommissar Hackl es zu BR24 gesagt hat, sondern maximal 35 Kilogramm. Hackl wollte damit lediglich zum Ausdruck bringen, dass niemand ein Tier von der Fahrbahn ziehen muss, wenn er sich das nicht zutraut. Entscheidend sei es, die Unfallstelle zu sichern.