Als Pfarrer Stefan Ammon vor drei Jahren seine Pfarrstelle im Münchner Stadtteil Ramersdorf antrat, fühlte er sich wohl. Bis er das überdimensionale Altarbild in der Gustav-Adolf Kirche sah:
"Mir ist aufgefallen, dass der Jesus in der Mitte ganz besonders blond ist. Dann kam mir auch der Zusammenhang, dass das Baujahr der Kirche 1934 ist. Das ist etwas Schwieriges: Wie viel Nazi-Ideologie steckt in meinem Altarbild drin, das ich jeden Tag anschaue, das ich oft sehe im Gottesdienst? Dem sind wir nachgegangen." Pfarrer Stefan Ammon
Völkische Utopie als Mahnbild?
Der Kirchenvorstand ging in Klausur. Die Darstellung des arisch-heldischen Jesus hatte auch in der Gemeinde in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder für Diskussionen gesorgt: Ein blonder Jesus mit blaugrauen Augen, links davon steht Erzengel Michael mit Schwert, allerdings ohne einen Heiligenschein. In der NS-Ideologie galt Michael als Wiederkehr des germanischen Schlachtengottes Wodan. Den fehlende Heiligenschein interpretieren Kunsthistorikern als eine Anspielung auf den heidnischen Wodan. Gemalt hat das Altarbild Hermann Kaspar, ein Lieblingskünstler Hitlers.
Viele Gemeindemitglieder sind aber seit ihrer Kindheit mit dem Altarbild vertraut, so dass die Frage nach dem richtigen Umgang schwer fällt: Das Bild übermalen? So einfach sei das nicht, erklärt Pfarrer Stefan Ammon.
Germanischer Stil in bayerischer Kirchenarchitektur
Zwischen 1933 und 1941 wurden allein im Umkreis von München 39 evangelische und katholische Kirchen gebaut. Das Jahr 1933 stellte dabei keine Zäsur in der bayerischen Kirchenarchitektur dar. Denn der damals weit verbreitete Stil beim Kirchenbau ähnelte dem in den 20er-Jahren, so wie es die NS-Ideologen später für Kirchen vorsahen: Eine Rückbesinnung auf die Romanik, die als "germanischer Stil" umgedeutet wurde. Kahle Wände, wenige, im oberen Drittel der Kirche angelegte kleine Rundbogen-Fenster. Burgähnliche Massivität.
Kirchenrat Harald Hein ist Leiter des Baureferats beim Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche in Bayern: "Diese Kirchen wirken ernst und dunkel. Für mich ist die Botschaft Gottes für diese Räumen eher schwer verständlich."
Verhältnis von Kirche und NS-Regime angespannt
1935 wurde die Gustav-Adolf Kirche in Ramersdorf mit wehenden Hakenkreuzfahnen eingeweiht. Viele Christen hofften, mit dem NS-Regime könnte auch die Kirche wiedererstarken. Dabei war das Verhältnis von Kirche und NS-Regime durchaus gespannt.
1938 zum Beispiel wurde die Matthäuskirche als älteste evangelische Kirche in München abgerissen, weil sie den NS-Stadtplanern scheinbar im Weg stand. Zeitgleich wurden Kirchenneubauten bis 1941 genehmigt. Davon stehen heute viele unter Denkmalschutz.
Historische Last in Kirchen
Die Gemeinden kommen wohl erstaunlich gut mit der Architektur zurecht. Zumindest gingen bei Harald Hein noch keine Anträge ein, die Kirchen baulich zu verändern. Direkte NS-Symbole wie Hakenkreuze dürfte es heute in bayerischen Kirchen nicht mehr geben. Diskussionsstoff gibt es allerdings bei den ideologisch aufgeladenen Altarbildern.
"So lange das im weitesten Sinne Geschmacksfragen sind, sind die Kirchengemeinden frei. Wir versuchen natürlich auch in unserer Beratung darauf einzuwirken, aber wenn von der Gemeinde nicht aufgegriffen wird, dann bleibt das eben so." Kirchenrat Harald Hein
Pfarrer Ammon ist wegen des Altarbilds der Gustav-Adolf-Kirche noch nicht mit dem Landeskirchenamt in Kontakt getreten. Vielleicht sollte sich damit ein Künstler auseinandersetzen, mit einer Glasinstallation vor dem Bild etwa, und so auf die historische Last zu antworten, so Ammon.
(Autor: Rüdiger Kronthaler)