Auf den Steinbänken vor dem Haupteingang der Jugendherberge Mühldorf sitzen Sechstklässler einer Münchner Schule und warten, dass ihr Bubble-Ball-Turnier beginnt. In ein paar Minuten werden sie eingepackt in Luftpolsterhüllen miteinander Fußball spielen. So weit, so normal in der Jugendherberge Mühldorf. Vor eineinhalb Jahren war das ganz anders.
Erster Lockdown war "dramatisch"
Herbergsleiter Engelbert Wiesböck erinnert sich, wie sie von einem Tag auf den anderen schließen mussten. Viele Lebensmittel haben sie der örtlichen Tafel gespendet und einer Kinderbetreuungseinrichtung. "Das war ein herber Verlust für uns", bestätigt er. Existenzängste habe er aber nie gehabt.
Stadt Mühldorf gleicht als Träger Defizite aus
Das finanzielle Loch, das durch den ersten Lockdown entstanden ist, hat die Stadt Mühldorf gestopft. Corona habe Mühldorfs Gewerbesteuer- und andere Steuereinnahmen nicht stark beeinträchtigt. Die Stadt habe keine Landeshilfen beansprucht, so Bürgermeister Michael Hetzl. Die Defizite wurden wie auch sonst üblich ausgeglichen, größere Einschnitten waren so nicht von Nöten. "Dieser Kelch ist an uns vorbeigegangen", sagt der erleichterte Bürgermeister.
Medizinisches Personal und Soldaten statt Schulklassen
Den zweiten Lockdown hat die Jugendherberge Mühldorf überbrückt, indem sie Krankenhauspersonal untergebracht hat oder Soldaten, die im Gesundheitsamt aushalfen. Alle Gäste wohnten und aßen in Einzelzimmern, die Gemeinschaftsräume waren geschlossen. "Wie im Knast", scherzt Herbergsleiter Wiesböck.
Nachfrage steigt wieder
Seit Pfingsten wird wieder gebucht. Vor allem Familien machen Urlaub in der Jugendherberge. Urlaub in Bayern sei ein starkes Argument gewesen, erzählt Wiesböck. Jetzt läuft auch das Geschäft mit den Schulklassen wieder. Der Herbergsleiter verweist dabei auch auf Alleinstellungsmerkmale, die sein Haus zu bieten hat. Die Nähe zu München hilft, die umfangreichen Sportangebote locken auch Vereine, es wird frisch gekocht und die Jugendherberge Mühldorf ist grundschulzertifiziert, bietet also Programme passend zum Grundschullehrplan.
Landesverband Bayern: Kritik am Kultusministerium
Den positiven Trend bestätigt auch Winfried Nesensohn, der Vorstand des Landesverbands Bayern des Deutschen Jugendherbergswerks. Corona-bedingt musste keines der Häuser geschlossen werden. Vor allem die Buchungslage für 2022 sehe schon sehr gut aus, sagt er im BR24-Gespräch. Ganz zufrieden ist er allerdings nicht. Das Kultusministerium habe Klassenfahrten zwar nicht verboten, aber auch nicht unterstützt.
Probleme: Kein Personal und kein Geld
Auch der Blick in die Zukunft ist nicht ganz ungetrübt. Zwar ist die Not der Jugendherbergen durch Corona laut Nesensohn nach großem Engagement und politischem Kampf wahrgenommen worden, allerdings decken die staatlichen Hilfen nur die Fixkosten. "Geld für Investitionen ist in den nächsten Jahren keins da", klagt der Vorstand des Landesverbands Bayern. So muss zum Beispiel die dringend nötige Sanierung des großen Hauses in Berchtesgaden warten. Außerdem hat die Corona-Krise den Personalmangel wie in anderen Berherbungsbetrieben noch verschärft.
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