Es war am 5. September 2013, im Morgengrauen. Das Jugendamt holte in Zusammenarbeit mit der Polizei 42 Kinder aus den Zwölf-Stämme-Niederlassungen in Klosterzimmern bei Nördlingen und in Wörnitz bei Ansbach. Den Eltern, die der urchristlichen Glaubensgemeinschaft angehören, wird in der Folge teilweise das Sorgerecht entzogen – die Kinder kommen in Heime und zu Pflegeeltern.
Noch sieben Kinder getrennt von Eltern
Der Vorwurf: Die Eltern sollen die Kinder regelmäßig schlagen, das Kindeswohl sei gefährdet. Es folgte eine Reihe an Gerichtsprozessen – einige Kinder durften zurück, entweder, weil höhere Instanzen das so entschieden, oder, weil sie volljährig waren. Heute leben noch sieben Kinder getrennt von ihren Eltern bei Pflegefamilien, teilte das Landratsamt Donau-Ries auf BR-Anfrage mit.
Ob der Entzug des Sorgerechts und die Trennung von den Eltern ein Verstoß gegen die Menschenrechte waren, soll im Fall von vier Familien der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entscheiden. Die Klage richte sich formal, gegen die Bundesrepublik Deutschland, in der Praxis dann gegen des Bundesjustizministerium und den Freistaat Bayern, so der Anwalt der Zwölf Stämme Hans Walter Forkel. Dann gibt es nach seinen Worten noch Nebenentscheidungen: Diese beträfen Dinge wie Schadenersatz oder die Erstattung von Gerichtskosten.
Anwalt: Behörden haben unverhältnismäßig gehandelt
Die Kinder einer Familie, die Forkel vertritt, sind bereits zurück bei den Eltern. Vier Kinder der drei anderen Familien sind noch in staatlicher Obhut. Nach Meinung das Anwalts hätten die Behörden damals unverhältnismäßig gehandelt. Dass bei vielen Familien die Sorgerechtsentzüge inzwischen aufgehoben und die Kinder zurück in den Familien sind, belege das.
Die meisten Mitglieder der Zwölf Stämme, sind Ende 2016, Anfang 2017 nach Tschechien umgezogen. Dort lebten sie, so Forkel, in zwei Niederlassungen bisher in Ruhe und würden nicht vom Staat verfolgt.