Was tun, damit die Luft in den Städten besser wird – Stichwort "Stickoxide"? Die Menschen kostenlos Bus, Tram, U-Bahn und Bahn fahren lassen, schlägt die Bundesregierung vor.
Maly: Bundesweit Kosten von mindestens 25 Milliarden Euro
Die jährlichen Kosten dafür lägen bundesweit bei schätzungsweise mindestens 25 Milliarden Euro, sagte der Vizepräsident des Deutschen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), dem Bayerischen Rundfunk. Die Zahl setze sich aus zwölf Milliarden Euro pro Jahr durch Fahrkartenverkäufe sowie etwa der selben Summe an kommunalen Zuschüssen zusammen.
Umsonst-ÖPNV als "Faschingsdienstagsscherz?"
Prinzipiell zeigte sich Maly überrascht davon, dass die Bundesregierung über die kostenlose Nutzung des ÖPNV nachdenkt. Er habe "zunächst an einen Faschingsdienstagsscherz gedacht", so Maly. Schließlich hätten sich sowohl der Bund als auch die Länder in den vergangenen Jahren Stück für Stück aus dem ÖPNV zurückgezogen und die Betreiber mit den Kosten alleine gelassen.
Test in fünf Städten
Hintergrund der neuerlichen Überlegungen der Bundesregierung ist, dass Brüssel Deutschland wegen zu schlechter Luft in den Städten mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof droht. So wurde gestern bekannt, dass die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Wirksamkeit eines kostenlosen ÖPNV auf die Luftqualität womöglich an zunächst fünf Städten testen will, unter anderem in Essen, Bonn und Mannheim.
Nürnberger Verkehrsbetriebe: "Hochinteressanter Vorschlag"
Bei den Nürnberger Verkehrsbetrieben, der Verkehrs-Aktiengesellschaft (VAG), spricht man von einem "hochinteressanten Vorschlag". Es stelle sich aber die Frage, wer eine solche Maßnahme bezahlt, so VAG-Vorstand Josef Hasler. Wie viele Menschen mehr Busse und Straßenbahnen nutzen würden, wenn diese kostenlos sind, kann Hasler nicht abschätzen. Bereits jetzt nutzen in Nürnberg täglich rund 600.000 Menschen den öffentlichen Nahverkehr.
Den gegebenenfalls nötigen Ausbau der Infrastruktur hält der VAG-Vorstand aber mittel- bis langfristig für zu bewältigen. Das werde zwar teuer, so Hasler. Die Grundsatzfrage sei aber, wie viel uns Umwelt- und Klimaschutz wert seien.
Münchner Bürgermeister Schmid will Sonderprogamm des Bundes
ÖPNV zum Nulltarif würde aus Sicht von Münchens zweitem Bürgermeister Josef Schmid (CSU) die Verkehrsprobleme der Stadt nicht lösen. München habe vor allem ein Kapazitätsproblem, so Schmid. Schon jetzt seien während der Stoßzeiten U-Bahnen überfüllt. Hinzu kämen Störungen und Zugausfälle auf der bestehenden S-Bahn-Stammstrecke. "Deshalb bräuchten wir was ganz anderes ganz dringend in München und in den Ballungsräumen, nämlich ein Sonderprogramm des Bundes zur Finanzierung des Ausbaus des öffentlichen Personennahverkehrs."
Nach Schmids Angaben hat die Münchner Verkehrsgesellschaft im Jahr 2016 rund 711 Millionen Fahrgäste befördert und rund 872 Millionen durch den Ticketverkauf eingenommen. Für den Neu- und Ausbau von vier U-Bahnlinien sowie für zwei Trambahn-Tangenten benötige die Stadt voraussichtlich Investitionen von mehr als 5,5 Milliarden Euro. Sinnvoll wäre aus Schmids Sicht ein ÖPNV-Sonderprogramm von 20 Milliarden Euro für ganz Deutschland, aus dem drei bis vier Milliarden Euro auf München entfallen könnten.
Die im neuen Koalitionsvertrag der Großen Koalition vorgesehene Aufstockung der Bundesmittel für den ÖPNV von 350 Millionen auf eine Milliarde Euro pro Jahr sei hingegen "unzureichend", kritisiert der Bürgermeister.
Augsburgs Stadtwerke-Chef: Tarife vereinfachen und ermäßigen
Einerseits kann Augsburgs Stadtwerke-Chef Walter Casazza dem kostenlosen ÖPNV finanziert aus Steuermitteln etwas abgewinnen: Denn bei diesem Umlagesystem würden auch "reinrassige Autofahrer ihren Beitrag zum öffentlichen Nahverkehr leisten". Andererseits schränkt Casazza ein, dass es ja nicht gleich der Nulltarif sein müsse. Er verweist auf Wien, wo das Jahres-Abo 365 Euro kostet, also pro Tag einen Euro.
Ziel müsse es sein, Tarife zu vereinfachen und zu ermäßigen, sagt der Stadtwerke-Chef. "Wir haben ein Umweltthema in unseren Städten. Und das muss gelöst werden." Deshalb werde es notwendigerweise eine Umschichtung geben müssen auf den umweltgerechten Verkehr – "und das ist der öffentliche Verkehr".