Dass an diesem Abend gejubelt wird, daran hat auf der Wahlparty der AfD im bayerischen Landtag niemand Zweifel gehabt, nicht nach den letzten Umfragen. Als die Ergebnisse auf der Großleinwand im Saal einlaufen, geht es los. Anderen ist angesichts der großen Zugewinne für die AfD nicht zum Jubeln zu Mute.
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CSU sieht AfD als "Hauptgegner"
Deutschland müsse einen Kompromiss finden, um das Thema Migration und die Flüchtlingsfrage sinnvoll zu lösen, betonte CSU-Chef Markus Söder. "Ansonsten werden rechtsextreme, nationalistische Kräfte weiter erfolgreich sein." Dies spalte am Ende nur die Demokratie. "Ein Großteil der AfD-Wähler sind ja Protestwähler", sagte Söder.
CSU-Vize Manfred Weber zeigte sich mit Blick auf das gute Abschneiden der Rechtspopulisten reumütig: Die CSU brauche neue Konzepte im Wettbewerb mit der AfD. "Die AfD hat ein viel zu gutes Ergebnis in Bayern und Hessen erreicht und ist definitiv überall unser Hauptgegner", so Weber. "Das ist kein Warnsignal mehr, sondern wir sind in einer schwierigen Phase für unser Land."
Linken-Co-Chef ruft Ampel zur Verantwortung
Auch SPD-Parteichefin Saskia Esken bezeichnete die Zustimmung vieler Wählerinnen und Wähler zur AfD sowohl in Bayern als auch bei der Landtagswahl in Hessen als "erschreckend".
Linken-Co-Chef Martin Schirdewan machte für das Erstarken der AfD unter anderem die Ampelpolitik in Berlin verantwortlich. "Der Rechtsruck ist nun auch im Westen der Republik mit voller Wucht angekommen", sagte Schirdewan. Die Wahlen in Hessen und Bayern "markieren damit auch das Scheitern der Ampel und ihrer Politik".
"Wir haben ja noch kein Endergebnis, aber ich bin überzeugt: Es wäre sehr gefährlich für Bayern, wenn eine demokratiefeindliche Kraft, die AfD, zweitstärkste Kraft im Landtag ist", bekräftigt die Grünen-Landesvorsitzende Eva Lettenbauer bei BR24TV. Sie ist überzeugt: Die Bürgerinnen und Bürger hätten "deutlich besseres verdient".
Knobloch: Minderheiten "werden so weiter verunsichert"
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, äußerte sich ebenfalls besorgt über das starke AfD-Ergebnis. Es werde für die Arbeit im neuen Landtag eine schwere Belastung darstellen, "Minderheiten wie die jüdische Gemeinschaft werden so weiter verunsichert", so Knobloch. "Deshalb muss auch die neue Staatsregierung den Kampf gegen Extremismus mit allen Mitteln fortsetzen – und ich weiß, dass sie das auch tun wird."
Wähler-Abwanderung: Wer sein Kreuz bei der AfD machte
Bereits vor Bekanntwerden des vorläufigen offiziellen Endergebnisses zeigt sich eine deutliche Verschiebung in der politischen Landschaft: Die Ampel-Parteien und die CSU büßten Stimmen ein, die AfD profitierte davon: Allein 90.000 ehemalige CSU-Wähler machten diesmal ihr Kreuz bei der AfD, dazu kommen 70.000 ehemalige Nichtwähler und kleinere Zugewinne von praktisch allen anderen Parteien.
Wie viele Wähler wanderten von welchen Parteien ab und woher konnten die Parteien Wähler gewinnen? Details dazu finden Sie hier.
Erstarken der AfD könnte Landtag deutlich verändern
Mit dem Erstarken zur ersten Kraft der Opposition wäre es kaum noch möglich, die AfD etwa vom Posten eines Landtagsvizepräsidenten fernzuhalten. "Wir würden uns auch sehr freuen, wenn wir dieses Mal einen Vizepräsidenten als zweitstärkste Kraft stellen dürften", sagte AfD-Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner dazu im BR-Fernsehen. Auch der Zugriff auf Ausschuss-Vorsitze wäre ein Privileg, das der AfD künftig nicht mehr zu nehmen sein würde. Das gilt auch für Gremien mit hoher Sicherheitsrelevanz, etwa den Innenausschuss.
Bisher waren die AfD-Abgeordneten im Landtag vor allem dadurch aufgefallen, dass sie Rügen wegen ungebührlichen Verhaltens von Parlamentspräsidentin Ilse Aigner (CSU) kassierten.
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Mit Informationen von dpa
Im Video: Politikwissenschaftler Oberreuter zum starken Abschneiden der AfD
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