Judith Gerstner aus Lauterhofen, einem Markt im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz, hat sich im März 2020 als eine der ersten mit Covid infiziert. Die heute 21-Jährige stand kurz davor, ihre Ausbildung zur Kinderpflegerin zu beenden. Sie führte ein aktives Leben: "Ich habe mich mit Freunden getroffen. Gerne Sport gemacht. Ich habe sehr gerne Sport gemacht in meinem Leben: von Yoga über Zumba, Kickboxen. Also Sport war eine ganz große Leidenschaft von mir." Außerdem ist die Oberpfälzerin gerne kreativ: singt und bastelt.
Doch vier Jahre später befürchtet die junge Frau ein kompletter Pflegefall zu werden. Denn: Sie ist an Long Covid erkrankt.
Ständige Begleiter: Atemnot, Erschöpfung
Von Long Covid spricht man, wenn Menschen auch einen längeren Zeitraum nach einer Corona-Infektion noch Beschwerden haben. Judiths ständige Begleiter: Atemnot, dauerhafte Kopfschmerzen, Reizempfindlichkeit, extreme Erschöpfung – auch bekannt als chronisches Fatigue-Syndrome - und Muskelschmerzen am ganzen Körper.
Ärzte-Odyssee: Hilflosigkeit und verlorenes Vertrauen
Für die 21 Jahre alte Judith beginnt eine endlose Odyssee von Arzt zu Arzt. "Ich war bestimmt bei 40 bis 50 Ärzten, in drei Kliniken." Statt Hilfe begegnet ihr allerdings nur Hilflosigkeit. Viele Ärzte glauben Judith ihre Beschwerden nicht, nehmen sie nicht ernst.
"Gerade wenn ich das dann in zeitlichen Zusammenhang gesetzt hab mit Corona-Infektionen, das wollten sie ganz ungern hören. Gerade die ersten Monate - da waren die Ärzte total auf Gegenwehr. 'Das kommt doch nicht von Corona, das kann ich nicht glauben', hieß es dann. Also wirklich so Sachen, da bin ich auch erst mal verzweifelt", sagt sie.
Long und Post-Covid sei schwer zu diagnostizieren. Das Krankheitsbild ist diffus. Judith geht dennoch weiter zur Arbeit, schleppt sich regelrecht hin. Denn die Abschlussprüfung für ihren Traumberuf will sie unbedingt ablegen. In der Zeit erkrankt sie zweimal erneut an Covid.
Zusammenbruch 2022: arbeitsunfähig und pflegebedürftig
Dann – im September 2022: Judiths Zustand verschlechterte sich drastisch. Nach einem Zusammenbruch muss sie die Ausbildung für ihren Traumjob abbrechen. Ihre Gesundheit spielt nicht mehr mit. Seitdem ist die Oberpfälzerin arbeitsunfähig und pflegebedürftig daheim. Zuletzt musste ihre Familie einen Rollstuhl beantragen, da sich ihr Zustand schleichend verschlechtert.
"Ich will meine Geschichte erzählen, solange es noch geht"
Trotz ihrer Erlebnisse will sich die 21-Jährige für Sichtbarkeit einsetzen. Über die Sozialen Medien seien Betroffene eng vernetzt, doch Judith wünscht sich, dass auch außerhalb dieser "Bubble" eine Auseinandersetzung mit diesem Krankheitsbild stattfindet. Die Betroffenen wissen, wie es sei, es wäre schön, wenn außerhalb davon mehr Verständnis herrschen würde, so Judith.
Versorgungslage noch schlecht
Zudem sei die Versorgungslage auch Jahre nach der Pandemie noch schlecht, kritisiert Judith. Sie wünscht sie, dass Ärzte bessere Erkenntnisse über die Krankheit hätten. Viele experimentelle Therapien seien eine Selbstzahler-Leistung, aber nicht für alle kommt sie aufgrund ihres Zustandes infrage.
Den Mut verliert die junge Frau aber nicht: "Für mich ist klar, dass ich wieder gesund werde. Nur die Frage nach dem "Wie" ist halt schwierig, aber darum kämpfe ich halt."
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